Die Nacht in Issy
Schreibservice einen schweren Brieföffner aus geschliffenem Stahl. Besser hätte ich es nicht treffen können! In wenigen Sekunden hatte ich das schwache Schloß zum linken Fach aufgesprengt. Es enthielt einen ganzen Stoß Aktendeckel in verschiedenen Farben. Beim Schein eines weiteren Streichholzes sah ich sie rasch durch. Einer davon trug die Aufschrift »Mignard«; ein anderer »Prozeß Jean«. Diese beiden steckte ich in meine Jacke. Die Aufschriften der anderen sagten mir nichts, aber ich beschloß, sie trotzdem mitzunehmen, um sie in Ruhe durchzusehen.
Auch im zweiten Fach darunter fand ich eine Menge Papiere, teils lose, teils mit Klammern zusammengehalten. Ich ließ sie vorerst liegen und wandte mich dem Bücherschrank zu. Es war ein langer, hoher Schrank mit Glasplatten. Ich erkannte viele von den Büchern wieder: sie hatten in der Bibliothek meines Vaters gestanden.
Das dritte Zimmer war eine Art Wohnzimmer. Es enthielt eine Sitzecke mit bunten Polstermöbeln und einen Flügel. Ich erinnerte mich, daß Alexandre gern Klavier gespielt hatte. Ich entdeckte auch einen großen, modernen Musikschrank.
Ich trat wieder auf die Diele hinaus und stieg die Treppe hinauf.
Oben fand ich links eine schmale Tür, die verschlossen war. Aber gegenüber der Treppe waren zwei Türen. Die erste, die ich öffnete, führte ins Bad. Es war ein schöner, großer Raum, hellblau gekachelt mit tief eingebauter Badewanne. Eine andere Tür, die nur angelehnt war, brachte mich in Alexandres Schlafzimmer.
Es war merkwürdig, aber ich war von jeher der Ansicht gewesen, daß Alexandre keinen guten Geschmack hatte. Während die anderen Räume des Hauses hübsch und zweckmäßig eingerichtet waren, hatte er hier, im Schlafzimmer, anscheinend genau das gekauft, was ihm gefiel. Ein dickes, weißes Fell bedeckte den ganzen Boden, und an einer Wand stand ein breites Doppelbett aus schwarzem Palisander, mit Löwenköpfen und einem Himmel aus Velour. Den Betten gegenüber war ein riesenhafter Metallspiegel an der Wand befestigt, vor dem eine winzige Frisiertoilette, ebenfalls aus schwarzem Palisander, ziemlich verloren wirkte.
In seiner Nachttischschublade fand ich goldene, mit Brillanten besetzte Manschettenknöpfe, die ich einsteckte. Außerdem noch einen kleinen Browning, Kaliber 6,35, der geladen war. Ich steckte ihn ebenfalls ein und war nun verhältnismäßig gut bewaffnet.
Als ich mich der Frisiertoilette zuwandte, stolperte ich über einen Coupékoffer aus Schweinsleder. Das brachte mich auf den Gedanken, meine Schätze in diesem Koffer zu verstauen. Zwar paßten mir seine Anzüge nicht, er war etwas größer als ich und viel breiter; aber ich wollte mir wenigstens etwas von seiner Unterwäsche mitnehmen. Ich hatte sie dringend nötig.
Ganz besessen von diesem Gedanken, öffnete ich den Koffer und stopfte das zusammengeknüllte Papier, das ich darin fand, unters Bett. Dann machte ich mich an den Kleiderschrank. Ich nahm mir etwas Unterwäsche, außerdem noch einige Paar Socken. Ein Bademantel kam mir in die Finger; ich packte ihn ein, und als ich gar noch einen Trenchcoat fand, pries ich mich glücklich.
Als ich alles hatte, was mir brauchbar zu sein schien — ich hatte auch drei Krawatten eingepackt — , untersuchte ich die Frisiertoilette. Eine große, halb volle Flasche Eau de Cologne tat es mir noch an, und in der linken Schublade fand ich unter Taschentüchern eine Fotografie von Germaine. Die legte ich nicht in den Koffer, sondern steckte sie in meine Jackentasche zu den Akten, die mich übrigens bei meiner Arbeit ziemlich störten.
Ich war so in mein Suchen vertieft, daß ich plötzlich erschrocken zusammenzuckte, als ich ein Geräusch hörte. Es hatte geklungen, als sei ein Fenster oder eine Tür zugeschlagen. Ich hielt eine Weile den Atem an und lauschte. Es war unverantwortlich leichtsinnig, was ich hier trieb. Ich hatte doch damit gerechnet, daß auch Francois hier etwas suchen würde. — Was sollte ich tun, wenn er nun tatsächlich kam?
Es blieb aber alles still im Haus. Vielleicht hatte ein Luftzug das Fenster bewegt, durch das ich eingestiegen war?
Trotzdem nahm ich Alexandres kleine Pistole in die rechte Hand, den Koffer in die linke und schlich, Meter für Meter, die Treppe hinab. Zwischendurch blieb ich horchend stehen. Dann aber dachte ich, es sei gut, dieses Haus so schnell wie möglich zu verlassen.
Ich betrat nochmals das Arbeitszimmer und stopfte alles an Akten, was ich fand, in den Koffer. Es war
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