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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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verlockend. Aber —«
    »Aber — ?« fragte sie, und ihre grauen Augen ruhten voller Unschuld auf mir.
    »Tja — es ist so verdammt schwer zu sagen. Ich habe trübe Erfahrungen gemacht, wissen Sie. Man wird mißtrauisch, auch wenn es gar nicht nötig wäre.«
    »Natürlich«, stimmte mir Labourusse schnell zu, »das ist sehr verständlich. Wir dachten auch nicht, daß Sie sofort begeistert ja sagen würden. Aber Sie können sich das doch überlegen, ein oder zwei Tage lang.«
    »Und wenn mich zwischendurch die Polizei schnappt?«
    »Sie könnten hierbleiben«, lockte sie und schenkte mir einen vielversprechenden Blick, »hier wird Sie niemand suchen.«
    Ich atmete erleichtert auf.
    »Ja«, antwortete ich und schoß ihren Blick zurück, »das wäre natürlich ein Angebot.«
    »Selbstverständlich«, rief er. »Du hast doch ab und zu recht gute Ideen, Yvette! Selbstverständlich bleiben Sie hier, als unser Gast, bis wir Ihre vorläufige Reise in die Schweiz organisiert haben.«
    Ich weiß heute noch nicht, ob sie mich wirklich für so primitiv gehalten hatten oder ob sie merkten, daß ich sie durchschaute. Vielleicht spielte ich den Dummen tatsächlich so überzeugend echt.
    Sie entnahm ihrer Handtasche eine Packung >Blue-Hill<-Zigaretten und begann zu rauchen.
    »Und doch«, sagte ich, »möchte ich gern wissen, wer Alexandre erschossen hat. Was haben Sie denn für Gedanken in dieser Sache?«
    Er lächelte.
    »Ich war bis jetzt fest davon überzeugt, daß Sie es waren«, erklärte er, »und ich muß gestehen, so halb und halb glaube ich es noch immer.«
    Ich schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich war’s bestimmt nicht. Ich kam nur zufällig dazu.«
    »Und«, fragte Yvette, »was glauben Sie? Haben Sie einen Verdacht?«
    »Anfangs«, sagte ich, »war ich der Ansicht, es müsse Francois gewesen sein — in Ihrem Auftrag, Labourusse — «, er hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf — »aber seit einiger Zeit«, fuhr ich fort, »glaube ich, daß eine Frau dahintersteckt.«
    »Siehst du, Armand«, rief sie, »was ich dir von Anfang an sagte: Germaine!«
    Ich fing den Blick auf, den er ihr zuwarf. Er mochte bedeuten: >Halt gefälligst deine Klappe!<
    »Germaine?« fragte ich verwundert. »Aber wieso denn? Waren sie nicht glücklich zusammen?«
    »Alles dummes Geschwätz«, fiel er rasch ein, »die weibliche Phantasie, romantisches Zeug! Das ist aber natürlich...«
    Das weiße Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Labourusse sprang auf und ging hin. Er stand so, daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
    Er meldete sich, und ich hörte ihn sagen:
    »Ja — ist gut — ausgezeichnet! Nein — das bleibt wie besprochen — ja!«
    Er legte auf und kam zurück. Mir schien, als hätte sich in seinem Gesicht etwas verändert. Es war plötzlich gar nicht mehr dieses Dutzendgesicht, das er bisher gehabt hatte; es war das Gesicht eines Mannes, der bereit ist, zu morden. Sein Mund lächelte, als er sich wieder setzte; aber nur sein Mund.
    Ich dachte: >Nun ist etwas passiert.< Das Telefongespräch hatte die Lage völlig verändert. Ich spürte, daß ich jetzt in Gefahr war. Aber ich hatte keine Ahnung, von woher sie drohte, und weshalb. Was mochte geschehen sein? Ich ließ das Fenster nicht aus den Augen, und als ich mir eine Zigarette nahm, stellte ich die Dose so hin, daß sich der Vorhang darin spiegelte.
    »Tja«, sagte Labourusse, »das wäre im wesentlichen alles.«
    Er setzte sich nicht wieder hin.
    »Ich glaube auch«, antwortete ich, nur um etwas zu sagen. Es lag etwas in der Luft, daß sie beinahe knisterte.
    »Darauf könnten wir eigentlich einen Schluck trinken«, sagte er, »du bist eine schlechte Hausfrau, Yvette, du hättest längst dafür sorgen können.«
    Mein Hirn arbeitete in rasender Eile. Etwas zu trinken — Gift!
    Sie sprang auf.
    »Natürlich, Armand — ich hole gleich etwas!«
    »Laß nur — ich mache das schon!«
    Gut gespieltes Theater. Labourusse verließ den Raum, und ich überlegte krampfhaft, was geschehen sein mochte. Das Telefongespräch!
    »Ich bin froh«, begann Yvette und setzte sich wieder hin, »ich bin wirklich froh, daß Sie und Armand sich verstehen.«
    >O ja<, dachte ich, »wir verstehen uns besser, als du’s denkst!<
    Das Telefongespräch! Da war etwas geschehen — es mußte mit den Papieren zusammenhängen.
    Ich nickte ihr zu, aber ich glaube, meine Augen gingen durch sie hindurch.
    »Ein oder zwei Tage«, fuhr sie im Plauderton fort, »länger wird es nicht

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