Die Nacht in Issy
Gläser zum Fenster hinaus und schenkte vor meinen Augen neu ein.
»Glauben Sie vielleicht jetzt immer noch, daß ich Sie vergiften will?« fragte er lauernd.
»Nein«, bekannte ich, »nicht mehr ganz so fest. Sie könnten aber immerhin den Versuch gemacht haben.«
»Wozu?« fragte er. »Ihre Voraussetzungen sind falsch. Sie vergessen, daß ich die Papiere haben muß.«
Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er mehr wußte, als er sagte. Ich hob mein Glas, und wir tranken. Alle drei.
Der Kognak schmeckte sauber.
Während er sein Glas auf den Tisch stellte und nochmals einschenkte, sagte er kopfschüttelnd:
»Sie sind ein Nervenbündel, Monsieur Bouchard. Sie sollten mir dankbar sein, daß ich Ihnen zu einer Erholung verhelfen will.«
Ich hatte mich hier nicht wenig lächerlich gemacht. Und trotzdem war die Zigarette, die Yvette eben ausdrückte, eine »Blue Hill«. Trotzdem wußte ich, daß Labourusse mich töten würde, sobald er konnte. Zugleich aber fühlte ich mich erleichtert; denn es konnte sein, daß ich mich wegen Constance geirrt hatte. Das Telefongespräch konnte ganz harmlos gewesen sein, und alles, was ich mir ausgedacht hatte, waren vielleicht nur Hirngespinste. Wahrscheinlich war ich tatsächlich nur noch ein Nervenbündel.
»Ich glaube«, sagte ich, »ich habe mich ziemlich albern benommen.«
»Ich habe Verständnis dafür«, erwiderte er.
»Der Fuchs beißt auch den, der ihn aus dem Eisen befreien will. Ich möchte heute nacht doch lieber zu Hause schlafen. Außer Ihnen weiß niemand, wo ich bin. Morgen früh bringe ich Ihnen die Papiere.«
Labourusse zuckte mit den Schultern.
»Ich kann Sie nicht zu etwas anderem zwingen. Und ich verlasse mich auf Ihren gesunden Menschenverstand.«
»Gut«, sagte ich und stand auf, »dann also bis morgen früh. Treffe ich Sie hier?«
»Um wieviel Uhr?«
»Sagen wir — neun Uhr?«
»Ja. Ist recht.«
»Und was habe ich für eine Garantie, daß ich die Ausreisepapiere bekomme, wenn Sie haben, was Sie wollen?«
Er zuckte wieder mit den Schultern. Es schien mir, als langweile ihn das plötzlich, und mein Mißtrauen wurde erneut wach.
»Zug um Zug«, erwiderte er, »Ihre Papiere gegen meine Papiere.«
»In Ordnung!«
Ich wandte mich zur Tür. Da jedoch Yvette sitzenblieb, kehrte ich nochmals um und verbeugte mich vor ihr.
»Auf Wiedersehen, Madame! — Es war mir ein großes Vergnügen.«
Sie reichte mir ihre auffallend kleine Hand, an der sie zwei Trauringe und einen unwahrscheinlich großen Saphir trug.
»Ich habe mich ebenfalls gefreut«, sagte sie.
Labourusse stand abwartend an der Tür.
Ich blickte Yvette an und flüsterte:
»An Ihrer Stelle würde ich keine >Blue-Hill<-Zigaretten mehr rauchen!«
Ich sah noch, wie sie erstarrte und mir einen Blick zuwarf, den ich fast körperlich spürte. Dann stand ich lächelnd neben Labourusse.
»Ihre Schwester«, sagte ich und machte ein harmloses Gesicht, »sollte keine englischen Zigaretten rauchen. Gerade die >Blue Hill< sind für die Gesundheit sehr schädlich.«
Er schaute mich erstaunt an. Ob er tatsächlich nichts wußte?
Vielleicht spielte das kleine Luder ihm auch ein Theater vor.
In der Wohnungstür reichte er mir die Hand.
»Also bis morgen! Und machen Sie keine Dummheiten, Bouchard! Ich hätte die Papiere auch anders bekommen können. — Mein Wagen steht unten, ich lasse Sie nach Hause bringen.«
Ich ging an ihm vorbei, und er streifte mich mit der Hand. Dann lachte er und klopfte auf meine Jackentasche.
»Oh, Sie sind ein vorsichtiger Mann, Monsieur Bouchard. Ich schätze vorsichtige Leute sehr hoch ein. — Leben Sie wohl!«
Ich ging nachdenklich die Treppe hinunter und war mir darüber klar, daß ich gar nichts erreicht hatte. Ich war keinen Schritt weitergekommen. Das einzige Plus war, daß ich nun zu wissen glaubte, wer Alexandre erschossen hatte, und warum. Es würde mir verdammt schwer werden, ihr das nachzuweisen. Ich nahm mir vor, morgen früh Monsieur Mompard aufzusuchen und um Rat zu fragen.
Tatsächlich stand der Cadillac vor dem Haus. Der Rote stieg aus und öffnete mir die Tür.
Wieder leuchtete in mir das rote Licht auf. Aber nun schalt ich mich selber ein altes Weib. Der Rote war allein. Sollte er nur versuchen, mich unterwegs umzubringen!
Ich setzte mich vorn neben ihn. Der Wagen war unglaublich breit und bot sogar vorn genug Platz für drei Personen.
»In die Rue Bonaparte?« fragte er.
»Ja, bitte!«
Er fuhr leise an und ließ den schweren Wagen langsam in
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