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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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ich.
    »Ja. Er hat mich angepfiffen, weil ich — na ja, wegen Gustave. Aber sowas kann ich mir nun mal nicht in Ruhe anschauen. Ich hatte schon Angst, Sie würden nicht mehr hierher zurückkommen.«
    Er sprach viel gesitteter als heute nachmittag.
    »Wenn Sie mal verschwinden würden«, sagte ich, »könnte ich mich anziehen.«
    »Gut, ich warte unten.«
    Er nickte mir zu, tätschelte im Vorbeigehen Constance, was sie mit einem wütenden Fauchen quittierte, und verschwand. Ich zog mich rasch an.
    »Also, du weißt Bescheid«, sagte ich zu ihr, »bis morgen früh wartest du. — Sagen wir, bis zehn Uhr, ja?«
    »Gut, bis zehn Uhr.«
    Ich machte mich schweigend fertig; sie stand daneben und schaute zu. Dann schob sie mich rasch zur Tür hinaus.
    Ich sah, wie sich die Tür gegenüber öffnete und ein Mädchen heraus kam. Es war das gleiche, das einmal in mein Zimmer geschaut hatte. Sie machte erschrockene Augen, als ich auf sie zuging.
    »So, du kleines Aas — verpfiffen hast du mich! Aber diesmal bei der falschen Adresse! — Hast du schon mal ein Mädchen gesehen, das sie aus der Seine gefischt haben? — Nein? — Ich schon, das sah gar nicht mehr lustig aus. — Adieu für heute!«
    In der Wohnungstür kehrte ich nochmals um. Meine Vergeßlichkeit konnte mich eines Tages den Kragen kosten.
    »Ich hab’ was vergessen«, sagte ich zu Constance, und dann holte ich den kleinen Browning, Kaliber 6,35, der Alexandre gehört hatte, aus ihrem Schrank und steckte ihn ein.
    Ich gab ihr einen Kuß und ging.
    Auf der Straße war es dunkel. Der Regen hatte aufgehört, und es war schon wieder schwül. Ich suchte den Roten, fand aber keinen Menschen. Auf der anderen Seite stand ein großer Wagen, eine neue, amerikanische Limousine; immerhin eine Seltenheit in dieser Straße.
    Ich ging hinüber. Der Rote saß am Steuer und lachte. Er winkte mit der Hand, und ich stieg auf der andern Seite ein.
    »Kein schlechtes Taxi«, sagte ich, »gehört der Dampfer Labourusse?«
    Er nickte, und der Wagen fuhr langsam und geräuschlos an. Dann deutete er auf seine roten Haare:
    »Die suchen sie jetzt überall, aber nicht in einem Cadillac. Das ist das Geheimnis.«
    »Wohin fahren wir?« fragte ich. Er war an der Seine nach rechts abgebogen und steuerte nun sein komfortables Schiff vorsichtig über den Pont Neuf.
    »Montmartre, in seine Wohnung.«
    »Montmatre?« fragte ich. »Ich dachte, er wohnt in Neuilly?«
    »Da hat er auch ein Haus.«
    Wir sprachen nicht mehr miteinander, während er sich durch die engen Straßen wand und den Hügel zum Montmartre hinauffuhr. Er lenkte die Rue Pigalle hinauf und bog am Place Pigalle nach links in den Boulevard de Clichy ein. Das Nachtleben war in vollem Gange, und teilweise war die Straße von Autos verstopft, so daß wir hier nur langsam vorwärts kamen.
    Wir überquerten noch den Place Blanche, dann hielt er unmittelbar vor dem >Moulin Rouge<.
    »Hier?« fragte ich.
    »Nein, dort drüben.«
    Er zeigte auf die andere Seite, wo ein fünfstöckiges Haus stand, das erst neuerdings renoviert worden war. Die Baugerüste reichten noch bis zum ersten Stock, ein Teil davon lag in großen Stapeln auf der Straße.
    »Er hat es herrichten lassen«, bemerkte der Rote, »das hat eine hübsche Stange gekostet. Er wohnt im ersten Stock, alles andere ist vermietet.«
    Er hatte die Wagentüren sorgfältig verschlossen und begleitete mich nun über die Straße.
    »Was spielen Sie eigentlich hier für eine Rolle?« fragte ich ihn. »Sekretär? Revolvermann? Chauffeur oder Hausfreund?«
    »Alles zusammen«, grinste er, »wir kennen uns schon lange.«
    Er drückte neben der Haustür auf einen Knopf, und das Licht flammte auf. Ich sah eine Aluminiumtafel mit Namensschildern, aber der Name Labourusse war nicht dabei. In jedem Stockwerk wohnten zwei Parteien; im ersten Stock stand der Name: >Mueller< auf zwei Schildern.
    Während mein Begleiter die Tür aufschloß, tippte ich auf die beiden Schildchen.
    »Nennt er sich hier zur Abwechslung Mueller?«
    »Nein, das ist Madame, seine Schwester. Sie hat während des Krieges einen Fliegeroffizier geheiratet, einen Elsässer, der kurze Zeit danach abgeschossen wurde. Madame ist Witwe.«
    »Aha!« machte ich. »Das wäre die richtige Partie für mich.«
    Er lachte laut auf.
    »Auf den Gedanken sind andere auch schon gekommen.«
    In dem Treppenhaus war alles neu: die Wände, der Steinboden, die Holztreppe und der Läufer darauf.
    »Heißen Sie wirklich l’Arronge?« fragte ich

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