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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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dauern. Wir werden dafür sorgen, daß Sie sich hier wohlfühlen.«
    Der Ansicht war ich auch.
    »Ganz bestimmt«, erwiderte ich.
    Sie zündete sich wieder eine Zigarette an. Scheinbar bemerkte sie meinen Blick.
    »Sie auch?« fragte sie und hielt mir das Päckchen »Blue Hill« über den Tisch. Ich nahm eine heraus, gab ihr Feuer und zündete selbst an.
    Es konnte nicht anders sein, sie hatten die Papiere. Oder sie wußten, wo ich sie aufbewahrte. Sie mußten inzwischen Constance —
    »Sie machen einen so verträumten Eindruck«, sagte sie, »gar nicht wie ein...«
    »...Mörder«, fiel ich ihr freundlich ins Wort, »das meinten Sie doch?«
    »Ach was!« machte sie und blies den Rauch weit von sich, »ich glaubte nie daran, daß Sie es waren. Ich bin der Ansicht, daß es Germaine getan hat. Nur...« — sie legte schelmisch einen Finger auf den Mund — »... nur Armand hört das nicht gern. Er will überhaupt nicht, daß ich darüber spreche.«
    Ich dachte, er würde wohl wissen, warum. Himmel noch mal, was war ich doch für ein blutiger Anfänger! Ich war prompt auf ihren Leim gekrochen! Sie hatten mich nur forthaben wollen, das war alles! Ich mußte aus dem Hause, damit sie Zeit hatten, Constance zu behandeln; und das hatten sie inzwischen getan. Sie werden sie gequält haben, vielleicht sogar geschlagen, bis sie ihnen die Wahrheit sagte. Und jetzt war ich für sie nur lästig, jetzt konnten sie mich umbringen.
    »Ja«, sagte ich, »manchmal bin ich ein Träumer. Ich habe mir dadurch schon viel geschadet.«
    Sie schlug die Beine übereinander, tadellose Beine in hauchdünnen Strümpfen. Sie hatte einen weiten, plissierten Rock an, und mein Sessel war etwas tiefer als ihre Couch. Ich hatte große Lust, ihr mit irgend etwas Hartem in ihr hübsches Gesicht zu schlagen. Ich hätte dann dieses hübsche Gesicht gern einmal gesehen. Ich faßte aber nur vorsichtig in meiner Tasche nach dem Browning.
    Ihre grauen Augen hingen an mir.
    »Männer wie Sie mag ich gern leiden«, flüsterte sie, »verträumt, weich und doch männlich hart. Und ein bißchen brutal, wenn es sein muß.«
    Wenn Labourusse nicht bald mit dem Gift käme, würde ich ihr noch einen Beweis für meine Brutalität liefern! Ich schaute sie nun ebenso unverhohlen an; schließlich war es mir interessant, zu wissen, wie die Person aussah, die Alexandre erschossen hatte.
    »Wie bitte?« fragte sie. »Haben Sie etwas gesagt?«
    In Gedanken hatte ich gesagt: »Ich kriege dich schon noch, mein Täubchen!« Aber das konnte sie kaum gehört haben. Ich sagte deshalb:
    »Ich werde in die Schweiz fahren. Schade nur, daß ich allein sein werde.«
    Labourusse brauchte ziemlich lange, um sein Gift zu mixen, wie mir schien. Mir wurde immer heißer.
    »Kein kleines Mädchen?« fragte sie. »Und was ist mit dem kleinen Straßenmädchen, bei dem Sie jetzt wohnen?«
    Zu ihrem Glück kam in diesem Augenblick Labourusse herein. Er trug ein silbernes Tablett, auf dem eine Flasche und drei Gläser standen. Die Gläser waren schon eingeschenkt.
    >Aha<, dachte ich, >so wird das gemacht! Nun kannst du zusehen, Jean Bouchard, wie einer vergiftet wird, sozusagen aus der Orchesterloge!<
    Er kam vorsichtig, um nichts zu verschütten, an den Tisch. Dann stellte er das eine Glas vor mich hin, das andere vor Yvette, und das dritte vor seinen Platz. Ich schielte nach der Flasche. Es fehlte nur noch, daß er irgendeine bittere Sache ausgewählt hatte, damit man die Blausäure nicht roch. Aber es war Hennessy, extra dry. Ich schnüffelte unwillkürlich.
    Er stellte die Flasche mit dem Tablett auf den Schreibtisch.
    Dann kam er her, setzte sich und nahm sein Glas.
    »Auf die gemeinsame Arbeit!« rief er und hob sein Glas.
    Ich nahm das meine in die Hand und sagte: »Haben Sie gemeint, Labourusse! — Was ist denn drin? Arsenik? Strychnin? Oder Zyankali?«
    Yvette platzte laut heraus. Labourusse schaute mich einen Augenblick stirnrunzelnd an, dann bemühte er sich, zu lächeln.
    »Ach so — «, machte er. »Ich verstehe. Bitte, Sie können mein Glas haben!«
    Ein ganz alter Trick. Er hatte damit gerechnet, und das Gift war in seinem Glase.
    »Es ist vielleicht besser«, sagte ich, »wenn ich heute überhaupt keinen Alkohol trinke.«
    Sein Gesicht lief etwas dunkler an.
    Yvette schien einen handfesten Krach zu befürchten; sie hatte sich in die äußerste Ecke ihrer Couch zurückgezogen.
    Labourusse stand wortlos auf und holte die Flasche vom Schreibtisch. Dann schüttete er die beiden

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