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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Rooke den Auftrag gegeben, die losen Enden zu beseitigen. Das war seine Aufgabe. Was Sie bedeuten, war zu wichtig, um ein Risiko einzugehen.« In der kühlen Stimme lag eine ruhige Sicherheit, so dass Ardeth die Zähne zusammenbiss und sich zwang, neben dem Bücherschrank zu kauern und hinzunehmen, dass ihr Leben mit »lose Enden beseitigen« abgetan wurde. Um sich abzulenken, holte sie ein anderes Schulheft heraus und starrte auf die Seiten. Diesmal war die Schrift die einer Erwachsenen, eine glatte, geübte Handschrift.
     
    24. Dezember 83
    Daddy hat den heutigen Abend in seinem Zimmer verbracht. Ich war sehr ärgerlich, weil er den Heiligen Abend verpasst hat, und habe ihn angeschrien. Er hat bloß gelacht und gesagt, er würde sich nicht wohlfühlen. Er glaubt, ich sehe nichts. Er glaubt, ich weiß nichts von den Autos, die um Mitternacht kommen, und von den Frauen in den Autos. Er glaubt, ich weiß nicht, was für schmutzige Sachen er mit ihnen tut, und was für widerwärtige Spiele er spielt. Manchmal hätte ich Lust, ihn umzubringen.
     
    15. Mai 84
    Daddy hat endlich zugestimmt, keine Frauen mehr ins Haus zu bringen. Wir haben wochenlang darüber gestritten, aber dann, als er letzte Woche krank wurde, hat er endlich begriffen, dass sie schlecht für ihn sind, dass sie alle mögliche Bakterien und Dreck und Gefahr hereinschleppen. Alles wird wieder gut.
     
    Zum ersten Mal spürte Ardeth einen Anflug von Mitleid für die Frau, die da in diesem seltsamen Haushalt eingesperrt war, den ihr Tagebuch schilderte.
     
    3. Juni 84
    Daddy hat scheußliche Laune. Er trinkt und schreit, dass Carl ihm Mädchen bringen soll. Carl wird es nicht tun, weil ich ihm gesagt habe, dass ich Daddy sage, dass er sich an mich herangemacht hat, wenn er es tut. Ich muss Daddy beruhigen …
     
    Die nächsten paar Seiten waren leer, und Ardeth blätterte weiter, um den nächsten Eintrag zu finden.
    »Und was bedeute ich?«, hörte sie Rossokow hinter sich sagen.
    »Unsterblichkeit«, sagte Althea leise. Dann herrschte lange Zeit Stille.
    »Mickey, Sara, gehen Sie hinaus und halten Sie im Korridor Wache.« Rossokows Stimme war ruhig und duldete keinen Widerspruch, und Ardeth sah hinüber, um ihre Schwester und Mickey protestieren zu sehen. »Dort draußen sind immer noch zwei Wachen und etwaige Dienstboten, die es in diesem Haushalt gibt. Gehen Sie hinaus und halten Sie Wache.«
    Sie hörte, wie die Tür sich öffnete und wieder schloss, und dann zogen die Seiten, die sie vor sich hielt, wieder ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich.
    Ich habe gerade gelesen, was ich zuletzt geschrieben habe. Daddy beruhigen. Und das habe ich. Er war zornig, hat mit seinem Stock an die Wand geschlagen, während er in der Bibliothek herumstampfte. Ich habe Carl und den anderen gesagt, dass sie wieder auf ihre Zimmer gehen sollen.
     
    Die Schrift wurde schwächer, als hätte die Verfasserin Angst, zu stark aufzudrücken und ihre Geschichte damit sichtbar und real zu machen.
     
    Ich hatte keine Wahl. Er wäre sonst vielleicht hinausgegangen! Er hätte vielleicht alles zerstört. Er sagte, er würde es tun, weil ich ihm seine Frauen weggenommen und ihm nichts dafür gegeben hätte. Also musste ich es tun. Es war genauso widerwärtig, wie ich erwartet hatte, aber es schien ihn zu beruhigen. Vielleicht wird er es ganz vergessen. Und ich vielleicht auch. Ich bete darum.
     
    5. Juni 84
    Daddy hat mich heute Abend in die Bibliothek gerufen. Er hat gesagt, ich sei ein armseliger Ersatz für seine Huren, aber wenn ich nicht will, dass er hinausgeht, werde ich reichen müssen. Ich kann ihn nicht hinausgehen lassen. Er wird sterben, so wie Mutter gestorben ist. Die Huren haben ihn bereits krank gemacht. Solang er im Haus bleibt, kann ich dafür sorgen, dass alles unter Kontrolle ist. Ich kann sicherstellen, dass alles seine Richtigkeit hat. Ich kann sicherstellen, dass er das tut, was er tun soll.
    Er hat gesagt, er würde mich lehren müssen, was zu tun ist, und er würde heute Abend damit anfangen.
    Es tut immer noch weh, und es hat Spuren hinterlassen, die ich vor den Dienstboten verbergen muss. Aber ich werde ihn nicht hinausgehen lassen. Ich werde ihn nicht entkommen lassen. Nein, das werde ich nicht.
    Ardeth schloss die Augen, kämpfte gegen die unerwarteten Tränen an, die ihr plötzlich in die Augen traten. Diese Frau hat dich getötet, hat deine Freunde getötet, hätte Sara getötet. Sie hat Rossokow von Roias foltern lassen, und sie hat zugelassen –

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