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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Griff?«
    »Etwa dreißig Zentimeter nach oben und zehn nach rechts«, antwortete er ihr automatisch. »Aber …«
    Lass los, sagte sich Ardeth, lass einfach los, und lass dich fallen. Aber irgendwie konnte sie es nicht, nicht, wenn sie ihrem Ziel schon so nahe war. Nicht, wenn sie es doch schaffen konnte. Selbst wenn es Kräfte erforderte, die sie gar nicht haben konnte, Kräfte, die ihre unverändert schlanken Arme nicht liefern konnten. Sie biss die Zähne zusammen und fing an, sich am linken Arm in die Höhe zu ziehen. Aus weiter Ferne hörte sie den gemurmelten Ausruf des Unglaubens von dem Kletterer neben ihr. Sie konnte ihn lediglich undeutlich wahrnehmen, nicht aber das Gesagte registrieren. Also ignorierte sie es einfach, konzentrierte sich ganz darauf, den Ellbogen zu beugen. Sie hob die rechte Hand und ließ sie wie eine Spinne an der Wand emporkriechen, nach dem versprochenen Griff suchend. Dann fanden ihre Finger ihn endlich und umschlossen den künstlichen Felsknopf, der in das Holz eingelassen war. Sie entspannte sich, und erst jetzt schrien die Muskeln an ihrem linken Arm ihren Protest hinaus.
    Jetzt, da ihre Hände einen sicheren Griff gefunden hatten, gewann sie auch die Kontrolle über ihre Beine zurück und hob beide Füße, um sie gegen die Griffe der gebogenen Wand zu stemmen. Noch einmal einen Schwung nach oben, dann hatte sie den Überhang hinter sich gelassen und konnte ihr Gleichgewicht sichereren Griffen anvertrauen. Als sie so in ihrem Klettergurt ausruhte, wurde ihr bewusst, dass der andere Kletterer immer noch ein Stückchen rechts von ihr schwebte.
    »Hätte nie gedacht, dass Sie das schaffen würden.« Zu erregt und erfreut, um vorsichtig zu sein, ließ Ardeth ein Lächeln aufblitzen.
    »Ich bin kräftiger, als ich aussehe«, gab sie zu. »Und ich war es langsam leid, immer wieder an derselben Stelle abzustürzen. «
    »Sie kämpfen zu sehr gegen die Wölbung an. Lassen Sie ihren Körper sich anpassen, dann schaffen Sie es«, schlug er vor, und sie lachte. Wie die meisten Kletterratschläge, die man ihr an der Wand und auch unten auf dem Boden gegeben hatte, war dieser Rat entsetzlich nebulös und schien sich mehr auf irgendein mysteriöses Zen-Verständnis des Felsens zu beziehen als auf die Physik von Muskeln und Schwerkraft.
    »Wenn mir der untere Griff nicht ausgebrochen wäre, wäre alles gutgegangen.« Er drehte sich halb zur Seite, um nach unten blicken zu können, und pfiff dann leise zwischen den Zähnen.
    »Ist das erste Mal, dass ich so etwas sehe. Peter, der Geschäftsführer, wird ausflippen.«
    »Dann darf so etwas eigentlich nicht passieren, wie? Ich dachte, das gehört mit dazu, eine Art Simulation der realen Felswand«, log Ardeth, und er schüttelte lächelnd den Kopf. »Also, jetzt wo ich weiß, wie es hier oben aussieht, sollte ich wahrscheinlich wieder umkehren. Danke für Ihren Rat.«
    »Gern geschehen.« Es schien, als wolle er noch etwas sagen, aber Ardeth gab sich jetzt wieder ganz auf ihre Route nach unten konzentriert, und als sie schließlich wieder nach rechts blickte, arbeitete er sich auf die Decke über ihr zu.
    Eine Viertelstunde später war sie unten und dankte der Frau, die sich die Zeit genommen hatte, sie zu sichern. Sie verstaute ihre Kletterausrüstung in ihrer Tasche und zog ihre schwarze Jacke über das T-Shirt und ihre Leggings. Es war Ende September, und die Abende in Alberta waren kühl – sie versprachen einen kalten Winter. Wir sind hier weg, ehe der Schnee kommt, sagte sie sich, war aber nicht sicher, ob sie das auch glaubte.
    Nachdem sie die Schuhe gewechselt hatte, ging sie durch die Flure der Highschool auf den Ausgang zu. Es war schon beinahe halb zehn – um diese Zeit schloss die offene Halle am Donnerstagabend, und sie hörte die sich entfernenden Kletterer darüber diskutierten, wo man sich noch auf eine Tasse Kaffee oder ein Bier treffen könnte, um sich über Kletterpartien in Kalifornien oder Alpintouren in den Rockies zu unterhalten. Einen Augenblick lang spürte sie die Einsamkeit, in die sie sich hüllte, und die sie auf eine Art und Weise abkühlte, wie die Nachtluft das nicht mehr vollbrachte. Das brüchige Gefühl der Kameradschaft, das sie manchmal im Turnsaal empfand, die Aussicht darauf, dass das Klettern für sie vielleicht eines Tages einmal mehr als bloß eine amüsante Therapie sein konnte, zerbrach jedes Mal in Stücke, wenn es mit der Mauer der Wirklichkeit zusammenprallte. Es gab eine Grenze, die nicht

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