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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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wie sich etwas in ihr verkrampfte, etwas, das gefährlich an Schmerz erinnerte. Aber sie bewegte sich nicht, wartete einfach unter den Ästen, während er in den Wald zu ihrer Linken starrte.
    Einen Augenblick später hob er die Hand. Sie hörte das schwache Rascheln der Blätter, das Knacken eines Zweiges. Eine dunkle Silhouette schob sich auf die Lichtung und warf den Kopf zur Seite, so dass es schien, als würde das breite Geweih über den Himmel scharren. Dann kratzte ein Huf am Boden. Ardeth spürte die äußeren Ausläufer des Rufes, der den Elch angelockt hatte, merkte, wie ihre Finger sich in einen Baumstamm krallten, um sich nur ja nicht zu bewegen.
    Dann sank der große Kopf herab. Der Elch trat zwei Schritte vor und regte sich nicht mehr. Eine Hand fiel auf seine Schulter.
    Ardeth trat zwischen den Bäumen hervor und ging quer über die Lichtung auf die Seite des Tieres. Über die gesenkten Spitzen seines Geweihs hinweg begegnete ihr Blick den Augen Dimitri Rossokows. Einen Moment lang regte sich etwas in dem grauen Blick, etwas Dunkles, das sie nicht identifizieren konnte, dann lächelte er. Auf dem Widerrist des Elchs legte sie ihre Hand über die seine.
    Dann nahmen die Vampire im Mondlicht am Berghang ihre Nahrung auf.

2
     
    Eingehüllt in den zarten Schleier des Nebels brannten die Sterne durchs Glas hindurch. Dimitri Rossokow drehte leicht an der Einstellschraube des Okulars, um das strahlende Bild noch schärfer zu bekommen. Kopernikus würde wahrscheinlich seine Seele für diesen Anblick verkauft haben; und Galileo hätte vielleicht widerrufen, wenn man ihm ein Instrument dieser Qualität versprochen hätte. Weiß Gott, er selbst hatte seine eigene Sterblichkeit für das Versprechen eines Wissens verloren, das weniger fantastisch als dieses war. Für eine Wissenschaft, die weniger mit Wundern angefüllt war. Seine Augen folgten der Spur der Gasfäden zwischen den Sternen.
    Wie weit entfernt war dieser Nebel? Widerstrebend wandte er sich vom Okular ab und blätterte in dem Buch, das neben dem Teleskop auf einem Tisch lag. Sieben Millionen Lichtjahre von der Erde. Einen Augenblick lang weigerte sich sein Verstand, die Zahl zu erfassen, mühte sich ab, sie in ein Universum einzuordnen, das er gleichzeitig mit Kopernikus entdeckt und zuletzt studiert hatte, als die Menschen noch glaubten, dass es auf dem Mars Leben gäbe und das Sonnensystem nur acht Planeten besäße.
    Sieben Millionen Lichtjahre. Und es gab Nebel über Nebel, und jenseits davon Galaxien über Galaxien, weit außerhalb der Reichweite dieses Teleskops. Objekte, die man nur in den großen Observatorien in Südamerika beobachten konnte. Und Legionen von Sternen und Sternsystemen jenseits der Reichweite jener Instrumente, und dahinter endlos weitere Galaxien, bis sie jenseits der Ewigkeit verblassten.
    Und die Welt hielt ihn für ein Ding der Unmöglichkeit. Rossokow lächelte, drückte seine Augen wieder an die Okularmuschel und stieß dann eine leise Verwünschung aus, als er feststellte, dass ihm eine Wolke den Blick versperrte. Er überlegte, ob er das Teleskop bewegen sollte, entschied aber nach einem Blick auf den Himmel, dass die Wolke in ein paar Augenblicken vorbeigezogen sein würde, und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Bis er den nächtlichen Himmel zum ersten Mal durch das Teleskop gesehen hatte, war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm doch die Sterne in Toronto gefehlt hatten, dort, wo die Lichter der Stadt alle, mit Ausnahme der hellsten, überstrahlten. Er hatte nicht gewusst, wie sehr er sie brauchte.
    Als sie in dieser Stadt gestrandet waren, hätte er nie geglaubt, dass es so etwas wie dieses Observatorium hier geben könnte. Es war einem Liebhaber der Sterne zu verdanken, der über die finanzielle Freiheit verfügte, seiner Leidenschaft nachgehen zu können. Ein Schuppen, speziell für das Teleskop gebaut, kuschelte sich in einen Hinterhof am Stadtrand, wo der grelle Schein der Straßenlaternen nicht mehr hinreichte. Der Besitzer schloss nie ab und hatte die ganze Stadt dazu eingeladen, den Nachthimmel mit ihm zu teilen.
    In klaren Nächten konnten sich hier durchaus ein Dutzend Leute versammeln, um einen Blick auf die Sterne zu werfen. Aber gegen Mitternacht nahm die Zahl ab, und um die Zeit, zu der Rossokow einzutreffen pflegte, war das Observatorium meist verlassen. Zuerst hatte es ihn nervös gemacht, das Dach des Schuppens zu öffnen. Aber die Bewohner des Hauses schienen sich an das Geräusch

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