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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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sie auf eine schuldbewusste Weise dankbar, dass ihre Füße sie beide ablenkten.
    Schließlich war er fertig und lehnte sich zurück, zu ihr aufblickend. »Du hast dir keinen ernsthaften Schaden zugefügt. Würde es dir jetzt etwas ausmachen, zu erzählen, was vorgefallen ist?«
    »Ich bin Klettern gegangen.«
    »Das weiß ich. Bist du gestürzt?«
    »Nein, nein, nichts dergleichen. Das Klettern war schon in Ordnung. Ich hatte einen Augenblick lang Angst, dass wir stecken bleiben würden, aber dann ist der Mond wieder herausgekommen. «
    »Wir?«
    »Der Kletterer, der mir die Tourenpläne gegeben hat. Er hat mich an der Klippe aufgespürt. Wir sind gemeinsam aufgestiegen. «
    Rossokow erhob sich plötzlich und ging dann zum Fenster hinüber. Als er den Kopf herumdrehte, glühte das Mondlicht hinter seinem Profil. »Und oben?«
    »Wir haben geredet, über Risiken, die man eingeht, über die Verlockung der Gefahr. Es war dunkel und schön, und er wollte mich.«
    »Hast du ihn getötet? Bist du deshalb weggerannt?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe nicht einmal von ihm getrunken. «
    »Aber das hättest du können.«
    »Ja, das hätte ich können«, gestand sie mit leiser Stimme und wartete. Auf seinen Zorn – oder seine Absolution. Auf irgendetwas. Sie glaubte ein Lächeln zu sehen, das über seine Mundwinkel huschte, ein Lächeln, dünn wie eine Schlange.
    »Nun, du kannst dir ja sicherlich irgendeine passende Erklärung für deine jungfräuliche Flucht ausdenken. Schaden ist ja keiner angerichtet worden.«
    »Kein Schaden . . . ? Du meinst, es macht dir nichts aus, dass ich beinahe von ihm getrunken hätte?«
    »Nein, nicht solange du vorsichtig warst.«
    »Ich hätte nicht bloß getrunken. Ich hätte mit ihm geschlafen. «
    Rossokow blickte auf die schweigend daliegende Straße hinunter. »Solange du vorsichtig wärst«, wiederholte er. Ardeth starrte ihn verblüfft an. Es war zwar nie ausgesprochen worden, aber sie wusste, dass einer der Gründe, weshalb sie sich darauf beschränkt hatten, sich von Elchblut zu ernähren, der war, dass sie einander treu bleiben wollten, dass sie die Liebe, die sie geben konnten, mit keinem anderen teilen wollten. Und er hatte sie stets davor gewarnt, ohne eine persönliche Bindung von Sterblichen zu trinken, weil es das so leichtmachte, zu dem grausamen, raubgierigen Monstrum zu werden, als das die Mythen den Vampir zeichneten. Sie konnte nicht glauben, dass er seine Meinung so plötzlich geändert hatte. Es sei denn …
    Sie sprang auf und rannte quer durchs Zimmer, auf Füßen, die keinen Schmerz mehr spürten. Sie packte ihn am Arm. »Du hast es getan, nicht wahr?«
    »Du hast schließlich doch Recht behalten. Wir brauchen mehr als Elchblut«, antwortete er und hatte nur einen kurzen Blick für sie übrig, ehe er fortfuhr, die Straße zu betrachten.
    Etwas Heißes, Schwarzes blühte in ihr auf, schoss aus den schlafenden Samen der Wut empor, die sie in jenen ersten einsamen Monaten als Vampir am Leben gehalten hatte. Diese Wut verdrängte gnadenlos ihre anderen wirren Empfindungen: Schuld, Schmerz und eine schamerfüllte, geheime Erleichterung. Sie klammerte sich an diese schützende Hitze, während sie ihn, die Hände in den Stoff seines Hemdes gekrallt, zwang, sich umzudrehen und sie anzusehen. »Du hast es getan. Ich habe einen Mann verlassen, der mich wollte, der alles für mich getan hätte, und unterdessen hast du das Blut eines Menschen getrunken. Warum hast du das getan?«
    »Weil ich es wollte.«
    »So ist das also? Du wolltest es?«
    »Was willst du denn für eine Antwort hören? Ich wollte es tun. Ich habe es getan.«
    »Wer war sie?«
    »Das ist unwichtig. Sie hat mir nichts bedeutet.«
    »Ja, das sagen wohl alle Männer, nicht wahr? Selbst Vampire. «
    »Ja, selbst Vampire. Schließlich sind wir das ja. Vielleicht war es das, was zwischen uns nicht gestimmt hat. Wir haben versucht, wie etwas zu leben, das wir nicht sind.«
    »Nun ja, du bist derjenige, der das wollte. Du bist derjenige, der all die schönen Reden gehalten hat, dass wir eine Lebensweise finden müssen, die keine Ungeheuer aus uns macht. Du hast gesagt, du möchtest, dass ich das liebe, was du wirklich bist.« Ihre Finger krallten sich immer noch in sein Hemd. Sie fürchtete sich vor dem, was sie vielleicht tun würde, wenn sie losließ, fürchtete sich davor, dass sie entweder blindlings auf ihn einschlagen oder weinend in seine Arme fallen würde. Oder beides. »Du warst es doch, der gesagt hat,

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