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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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gewonnen.
    »Haben Sie vor, sie fertigzustellen? Ihre Doktorarbeit, meine ich?«, fragte Kate zuletzt, als ob eine Stunde gemeinsamen Lachens und ausgetauschter Geständnisse die Frage akzeptabel machte.
    Ardeth sah einen Augenblick zum Fenster hinaus. »Ich glaube nicht, dass mir die Möglichkeit noch offensteht.«
    »Warum nicht?«, beharrte Kate.
    »Vieles hat sich verändert.«
    »Alles ist andauernd im Fluss. Wenn Sie es wollen, sollten Sie es auch tun.« Sie lächelte und schüttelte leicht den Kopf. »Ich weiß, für mich ist das leicht gesagt. Sie müssen mich entschuldigen. Ich bin eine unverbesserliche Optimistin.«
    Ardeth sah sie wieder an. »Ich verzeihe Ihnen. Unverbesserlicher Optimismus ist genau das, was ich im Augenblick brauche.«
    »Wir sind beinahe angekommen«, sagte Kate, die sich jetzt auf den dichter werdenden Verkehr konzentrieren musste. »Haben Sie eine Bleibe?« Ardeth sah auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht.
    »Setzen Sie mich einfach an der nächsten Ausfahrt vor der Stadt ab. Ich finde ganz bestimmt noch jemanden, der mich heute Nacht mitnimmt.«
    »Ardeth, ich kann Sie doch nicht …«
    »Kate, glauben Sie mir. Ich reise lieber nachts. Das geht schon klar so.« Einen Augenblick lang fürchtete sie, die Überzeugungskraft in ihrer Stimme und ihr Wille würden nicht ausreichen, um die Sorge der anderen Frau zu besiegen, aber dann nickte Kate. »Ganz wie Sie wollen«, sagte sie ruhig und betätigte den Blinker, um an einer Tankstelle an der Straße anzuhalten, neben der sich ein Donutladen befand. Als der Wagen ausrollte, zog Ardeth den Rucksack zu sich heran.
    »Danke fürs Mitnehmen. Das war bisher die netteste Fahrt dieser Reise.« Und das war mehr als die Wahrheit.
    »Gern geschehen. Viel Glück. Und denken Sie dran: Die Welt hat immer noch Platz für eine weitere Doktorarbeit.«
    »Über den öffentlichen Verkehr im Toronto des neunzehnten Jahrhunderts?«, fragte Ardeth, und Kate lachte.
    »Selbst über noch langweiligere Dinge.«
    »Ich lass es mir durch den Kopf gehen«, versprach Ardeth, während sie die Tür schloss und dann den Rücklichtern des Honda nachwinkte, als Kate davonrollte. Sie hatte geglaubt, eine Lüge auszusprechen, aber als sie dann in dem kleinen Donutladen saß und schwachen Kaffee trank und überlegte, ob der Lkw-Fahrer in der Ecke wohl vertrauenswürdig war, entdeckte sie plötzlich, dass sie bereits Wort hielt.
    Kate und ihre offene Art und ihr trockener Humor hatten ihr gefallen. Hätte es für mich auch so kommen können?, fragte sie sich. Eine Dozentenstelle, wissenschaftliche Forschungen in irgendeinem Bereich, der mich interessiert, ein Freund, ein Leben. Sie dachte an ihr Apartment und die vertrauten Bequemlichkeiten, an Bücher, an die Couch, die angefangen hatte, sich ihrem Körper anzupassen, an dieselbe berechenbare Routine des Studierens und Lehrens.
    Und all das ist dahin, für alle Zeit dahin, sagte sie sich selbst streng. In diesem Bild ist kein Platz für das, was du jetzt bist. Der Lkw-Fahrer nahm sie mit und versuchte kein einziges Mal, sie anzufassen.
    Während der Truck nach Osten rollte, starrte Ardeth in die Dunkelheit hinaus und hörte noch einmal Kates Worte mit den Rädern flüstern: »Warum nicht?«, fragten die sie immer wieder. »Warum nicht?«

14
     
    Dimitri Rossokow saß in der Ecke des kleinen Cafés und sah zu, wie aus der winzigen Espressotasse vor ihm der Dampf aufstieg. Der kleine, runde Tisch schimmerte tiefschwarz. Die Tasse war ebenfalls schwarz und ließ den Kaffee wie einen fahlen, verwaschenen Mond an einem leeren Himmel erscheinen. Er fuhr mit dem Finger durch den Griff und hob die Tasse an seine Lippen. Der Kaffee brannte über seine Zunge und sengte sich bis zu seinem Magen durch. Der scharfe, bittere Geschmack übte auf ihn eine eigenartig beruhigende Wirkung aus.
    Er blickte nach draußen, vorbei an seinem gespenstischen Spiegelbild, das im Fenster hing . Wo sie wohl sein mag, fragte er sich zum tausendsten Mal und schob den Gedanken dann von sich.
    Inzwischen waren drei Nächte vergangen, seit Ardeth ihn verlassen hatte. Er hatte daran gedacht, ihr nachzugehen, auf seinen Instinkt zu vertrauen, dass dieser ihn ihrer Spur folgen ließ, aber eine Nacht war verstrichen und dann noch eine, und jetzt war er allem Anschein nach zu nichts anderem mehr imstande, als hier in der falschen Wärme des Cafés zu sitzen und sich zu fragen, wohin sie wohl gegangen sein mochte.
    Und um alles noch schlimmer zu machen, war

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