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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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wurden? Würde es wie der lange Schlaf sein, aber ohne den alles verzehrenden Hunger, der einen in die Welt zurückrief?
    Aber während des langen Schlafes war seine Seele – falls er immer noch eine hatte – fest im Inneren seines untoten Körpers geborgen. Wenn er den wahren Tod starb, was würde dann mit ihm geschehen?
    Diese neue Welt, in der er erwacht war, war ein gottloses Zeitalter. Nein, korrigierte er sich, nicht gerade gottlos, aber die Götter dieser Zeit haben kein Interesse an Seelen. Den populären Idolen des zwanzigsten Jahrhunderts genügten irdische Dollar und Hingabe. Und ganz sicherlich bot der Glaube, für den er sich vor so langer Zeit entschieden hatte, mehr Trost denn je: der Glaube an die Wissenschaft. Ihre Gesetze besagten, dass seine Materie, wenn sein langes Leben einmal endete, in das Universum zurückkehren und aufs Neue als Blume oder Küchenschabe oder Stern wiederhergestellt werden würde.
    Aber er hatte einen älteren Glauben, einen, den er in all den Jahrhunderten nie ganz von sich abgeschüttelt hatte. Er betete nicht. Da war kein höheres Wesen, das er verehrte, und er brach auch viele Gebote dieses Glaubens, aber das bedeutete nicht, dass er nicht in den geheimen Tiefen seines Herzens glaubte.
    Unter anderem deswegen hatte er so lange überlebt. Er lebte, weil er Angst hatte zu sterben, weil er dann vielleicht herausfinden würde, dass er wahrhaftig ein Verdammter war.
    Eines Nachts in Paris, es lag jetzt mehr als hundert Jahre zurück, hatte Jean-Pierre ihn gefragt, wie lange sie leben würden. Rossokow hatte darauf erwidert, dass er es nicht wüsste, und hatte das Thema gewechselt. Die Summe ihrer möglicherweise endlosen Tage zu betrachten beunruhigte ihn. Konnte irgendetwas, das aus Materie bestand, für alle Zeit existieren? Irgend etwas, das bei Sinnen war?
    Am Ende fand Jean-Pierre natürlich eine Antwort auf seine Frage. Fünf Monate später war er tot, verbrannt im Inferno, das ein rachsüchtiger Brandstifter aus ihrer Villa gemacht hatte.
    Aber du, dachte Rossokow, du bist nicht gestorben. Du bist in die neue Welt geflohen, um dich dort zwischen den Bankern und Bürgern Torontos zu verbergen, bis man dein Geheimnis entdeckt hat.
    Du hättest Ardeth nie die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben anbieten sollen. Nicht, wo du doch nur für den Überlebensinstinkt und die Angst vor der Verdammnis existierst. Nicht, wenn du nur lebst, weil du vor dem Sterben zu viel Angst hast, als ob die Sünde der Selbstvernichtung eine schlimmere sein könnte, als all die Sünden, die du bereits begangen hast. Vielleicht könnte Selbstmord dir sogar die Erlösung bringen.
    Er seufzte und legte den Kopf in den Nacken, um zum Mond hinaufzustarren. Sein Glaube war nicht groß genug, um zu sterben, um damit die Seele zu retten, von der er doch gar nicht sicher wusste, ob er sie besaß. Auch wenn er seinen blinden Üerlebensinstinkt manchmal verfluchte, so war dieser doch sehr stark ausgeprägt, ganz besonders nach den grauenhaften Erlebnissen in der Irrenanstalt. Selbst jetzt, während er so brütete, fand sein Blick die Schönheit des Mondlichts und seiner Schatten auf einem in Stein gemeißelten Engel, und der Duft der Bäume ließ in ihm den Wunsch aufkommen, diesen Duft durch seine Haut einzuatmen.
    Es gab keine Erlösung, keine göttliche Erscheinung, bloß die Erkenntnis, dass er eine weitere Nacht überleben würde.
    Seine Wohnung war immer noch leer, aber sie bot ihm ein Maß an Bequemlichkeit. Später würde er auf die Jagd gehen, nach Mitternacht. Als diese Entscheidung getroffen war, erhob sich Dimitri Rossokow von der Treppe des Mausoleums und ging über durch den Friedhof zurück.
    Er hatte kaum seine Wohnung betreten, als es an der Tür klopfte. Einen Augenblick lang stand er reglos da, von der unerwarteten Unterbrechung erstarrt. Wer würde um diese Stunde auf der Schwelle stehen, an die Tür eines Mannes klopfen, der beinahe niemanden in der Stadt kannte? Der Vermieter vielleicht.
    Oder Leigh, freute sich ein habgieriger Teil seines Bewusstseins. Vielleicht hat sie deinen Ruf doch gehört.
    Er ging zur Tür und öffnete sie argwöhnisch.
    Ein junger Mann stand da. Groß, blond, unrasiert, in Jeans und Anorak, wie fast alle in dieser Stadt. Er trug eine Plastiktüte mit dem Werbeaufdruck eines Lebensmittelladens.
    »Ja?«
    »Ist Ardeth da?« Die Frage beantwortete die seine, erkannte Rossokow. Das musste der Kletterer sein, von dem sie auf dem Berg in Versuchung geführt worden

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