Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Mann hinübergriff und sich auf seine Hand am Steuer legte. Das schwache Licht vom Armaturenbrett ließ den goldenen Ring an ihrem Finger glänzen. Der Mann drehte den Kopf etwas zur Seite und lächelte. Ardeth schloss wieder die Augen.
Die wiegende Bewegung des Wagens musste sie am Ende doch in den Schlaf gelullt haben. Als sie wieder aufwachte, rollte der Wagen langsam unter grellen Lichtern in eine Raststätte für Lkws. Sie richtete sich langsam auf und kniff die Augen zusammen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen. »Wo sind wir?«
»Ein Stück außerhalb von Sudbury. Weiter fahren wir auf dem Highway nicht«, erwiderte Doug. Ardeth öffnete die Augen ein Stück weiter und sah das kleine Häufchen von Autos, die sich an die breiten hellen Fenster des Restaurants schmiegten, als hätten sie Angst vor der Dunkelheit. Dahinter, bildete sie sich ein, war ein kleines Motel zu erkennen. Sie sah auf die Uhr. Es war drei Uhr morgens.
»Vielen Dank fürs Mitnehmen.«
»Wir wollten eine kleine Pause machen und eine Tasse Kaffee trinken – wir haben noch ein gutes Stück Fahrt vor uns. Wir laden Sie zu einer Tasse ein«, sagte Linda, und Ardeth warf ihr einen neugierigen Blick zu. Die Kilometer schienen die Animosität der Frau zum Schmelzen gebracht zu haben. Oder die leisen Witze, mit denen ihr Mann sie unterhalten hatte.
Sie brauchte den Kaffee nicht, nicht wirklich. Aber die Tasse würde sich in ihren Händen warm anfühlen, und vielleicht fand sie in dem Restaurant in Gesellschaft dieser unzweifelhaft aufrechten und anständigen Leute jemand anderen, der sie mitnahm. Also nahm sie die Einladung an und folgte den beiden in den hellen Lichtschein des Restaurants.
Drinnen verblasste das Lokal von einem Leuchtturm in der Dunkelheit zu einer ziemlich schäbigen, beinahe leeren Lkw-Raststätte wie tausend andere, die über den ganzen Kontinent verstreut waren. Sie stellten sich an der Schlange durchs Selbstbedienungsrestaurant an – Plastikscheiben schützten abgestandenes Essen, das zu lange aufgewärmt worden war, in Cellophan gehüllte Sandwiches, die alle gleich aussahen, und klebrig aussehendes Gebäck.
Der Kaffee war nicht schlecht, entschied Ardeth, während er ihr den Magen wärmte. Er hatte für sie keinerlei Nährwert, und eine ganze Tasse zu trinken, kam nicht infrage, aber ein Schluck oder zwei fühlten sich gar nicht übel an. Sie legte ihre kalten Finger um den Becher und sah sich im Raum um. Zwei Trucker, ein langhaariger, junger Mann in einem Flanellhemd, eine müde wirkende Gruppe Teenager und ein Pärchen in Fleecejacken saßen an den verschiedenen Tischen. Falls Letzteres nicht auch per Anhalter unterwegs war, boten die beiden ihr möglicherweise die beste Chance. Selbst wenn sie niemanden fand, der sie mitnahm, konnte sie ein Motelzimmer für den Tag nehmen. Toronto war nur noch vier oder fünf Stunden entfernt – mit ein wenig Glück konnte sie bis Mitternacht des folgenden Tages dort sein.
Nachdem sie ihren Kaffee zur Hälfte ausgetrunken hatte, entschuldigte sich Linda, stand auf und ging in den hinteren Teil des Restaurants. Ardeth sah Doug an. Er lächelte, und das ließ plötzlich seine ausdruckslosen Gesichtszüge eine Verwandlung durchmachen, ließ sie plötzlich kräftig und freundlich erscheinen, allerdings eine Freundlichkeit, unter der sich Stahl verbarg. Sie blickte hastig auf ihre Tasse hinunter. »Weiß Ihre Schwester, dass Sie kommen?«
Sie machte den Mund auf, um Ja zu sagen und war einigermaßen überrascht, dass sie ihre Stimme Nein sagen hörte.
»Wovor sind Sie auf der Flucht?« Jetzt blickte sie ruckartig auf und sah in braune Augen, die ihr plötzlich, trotz der freundlichen Fältchen, die sie umgaben, klug und wissend erschienen.
»Ist das wichtig?«
»Wahrscheinlich nicht. Es hat wohl mit einem Mann zu tun, nehme ich an.« Er lächelte wieder, diesmal über ihre Überraschung. »So ist es meistens.«
»Haben Sie je Ihre Frau betrogen?«, fragte Ardeth abrupt und war sich nicht sicher, ob sie ihn bloß so schockieren wollte, dass er still war, oder ob sie es wirklich wissen wollte.
»Nein.«
»Haben Sie nicht einmal daran gedacht?«
»Natürlich habe ich das. Selbstverständlich würde ich ihr das nie sagen.«
»Und warum haben Sie es nicht getan?«
»Weil ich in meinem Ehegelübde geschworen habe, dass ich es nicht tun würde. Weil sie mir jedes Mal, wenn ich daran dachte, mehr wert war als ein vorübergehendes Vergnügen. «
»War es leicht? Der
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