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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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– und fastete deshalb häufig und bewahrte meinen Samen als Teil meiner Studien. Aber ich achtete sorgsam darauf, nie den Eindruck entstehen zu lassen, dass ich irgendwelche geheimen Weisheiten oder nützlichen Einsichten gewonnen hätte, damit der Shogun nicht zu dem Schluss gelangte, ich könne eine Bedrohung für ihn sein, oder ein nützliches Werkzeug. Der Pfad zwischen diesen beiden Gefahren war sehr schmal – zu viel Macht konnte einen Mann verdammen, zu wenig aber ihn ebenso leicht vernichten.
    Und doch verließ ich diesmal die Stadt mit ebenso viel Bedauern, wie ein Bräutigam sein Hochzeitsbett verlässt … denn dieses Mal verließ ich sie.
    Ich war tatsächlich ein Bräutigam, zum ersten Mal seit vielen Jahren. Ich vermied es, wann immer ich konnte, eine Ehe einzugehen, aber immer war das nicht möglich. Bündnisse waren notwendig, der Schein musste gewahrt werden. Frauen, die mit mir verbunden waren, wurden entweder früh zur Witwe, wenn ich meinen eigenen Tod vortäuschte … oder starben selbst in jungen Jahren.
    Als Harada Okisata also mir die Hand seiner Tochter anbot, ergriff ich sie widerstrebend, wenn auch nur dem Namen nach, denn während des langen Winters hielten uns das Eis und das Gebot des Shoguns auf unseren getrennten Besitzungen fest. Als dann der Frühling kam, war ich nach Edo gereist und hatte Tomoe zur Frau genommen.
    In der Dunkelheit schloss ich die Augen und dachte an sie.
    Die Hochzeitsriten waren vollzogen, die Gäste gegangen. Ich hatte diesen Augenblick öfter erlebt, als ich zählen kann, und doch fürchtete ich ihn. Ich musste unwillkürlich daran denken, wie ich meine zweite Frau genommen hatte, als ich noch ein Sterblicher war. Damals war es so viel einfacher gewesen. Natürlich ging es um Politik, verborgen hinter der Konvention von Liebe und des Werbens. Ich schickte meiner künftigen Frau Gedichte, so wie sie es ebenfalls tat. Gedichte, in denen sie mich in ihr Bett einlud. Ich schlich wie ein geheimer Liebhaber zu ihren Gemächern, obwohl das ganze Haus wusste, dass ich da war. In der Dunkelheit passten wir gut genug zueinander, so dass unsere Dichtungen am nächsten Morgen ermutigend waren. Am Morgen der dritten Nacht, die wir miteinander verbrachten, brauchte ich nicht vor der Morgendämmerung nach Hause zu gehen. Es gab eine kleine Zeremonie, und wir waren Mann und Frau.
    In dieser Hochzeitsnacht hatte ich mir ein gewisses Maß an Privatsphäre verschafft, indem ich meinen Haushofmeister, er hieß wieder Tadeo, angewiesen hatte, die empörten Dienstboten für diesen einen Abend in einen anderen Flügel des Hauses zu verbannen. Dieser merkwürdige Wunsch nach Abgeschiedenheit würde meine Liste von Exzentrizitäten erweitern. Nur die Zofe meiner neuen Frau blieb zurück, um sie mit den Geschenken zu bekleiden, die ich ihr geschickt hatte.
    Wie würde sie wohl meine Enthüllungen aufnehmen, fragte ich mich, diese junge Frau, die ich zum Zeitpunkt unserer Hochzeit das erste Mal gesehen hatte. Unter meinen Frauen hatte es welche gegeben, die insgeheim froh waren, dass ich meine ehelichen Rechte nicht verlangte. Und solche, die darüber empört waren. Alle waren verstimmt darüber, dass ich ihnen die Söhne nicht geben wollte, die sie sich wünschten, um damit ihre Stellung in meinem Haus zu besiegeln und ihrem Herzen Linderung zu verschaffen. Mit einigen von ihnen hatte ich mich arrangiert: Ich bekam ihr Blut und ihr Schweigen, sie meinen Namen und meinen Reichtum. Anderen wagte ich nicht zu vertrauen. Hier und da verbrenne ich immer noch Weihrauch für ihre Seelen, die ich so früh in jenes Reich entsandte, das nach diesem Leben auf uns wartet.
    Dann kam ich zu ihrem Zimmer. Es schien nur Augenblicke zu dauern, bis ihre Zofe und Tadeo verschwunden waren. Sie kniete in der Mitte des Raums und trug den Kimono, den ich ihr gegeben hatte. »Mein Mann und Gebieter«, sagte sie leise und verbeugte sich. »Danke für dein Geschenk an diese Unwürdige.«
    »Steh auf und lass mich dich ansehen.« Sie erhob sich in einer eigentümlichen Art von Grazie. An ihren Bewegungen war nichts Zartes, vielmehr eine Art robuster Leichtigkeit, die mich faszinierte. Der Kimono war aus violetter Seide, mit einem Muster von Kranichen bestickt, den Symbolen für ein langes Leben. Sie hob den Kopf ein wenig. Sie war nicht schön, und dennoch … »Es kleidet dich.« Sie nickte ihren Dank für das Kompliment. Ich sah, wie ihre Finger über die Seide strichen und dann zu der Elfenbeinschnitzerei

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