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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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seiner Brustwarze. Sie konnte seinen Herzschlag spüren, er verriet ihr all die Gefühle, die sein Gesicht und seine Körperhaltung verbargen.
    Sie lächelte und ließ ihre Finger nach oben wandern, eine schmale, elfenbeinfarbene Linie über den dunklen Mustern der Tätowierung. Seine Haut fühlte sich unverändert an, stellte sie überrascht fest. »Und jetzt?«, fragte er. Seine Stimme klang ausdruckslos, aber sein Fleisch brannte unter ihrer Hand.
    »Sie bedauern, dass ich es bin, nicht wahr? Sie wünschten, es wäre Fujiwara.«
    Sein Gesicht drehte sich zur Seite und suchte die düsteren Schatten ab.
    »Sie sind nicht Fujiwara«, sagte er schließlich, was überhaupt keine richtige Antwort war. Ardeth verspürte eine Welle von Mitgefühl, ja geradezu Mitleid für ihn. Er hatte sich gewünscht, dass Fujiwara derjenige sein würde, der sozusagen die Einweihungsriten an ihm vollzog, so wie etwa ein Vater seinen Sohn durch die Mannbarkeitsriten seines Stammes geleitete. Stattdessen war er jetzt alleine mit einer Frau, die all seine Erwartungen in nutzlose Spekulationen verwandelt hatte und die ihm jetzt keinerlei Anleitung zuteilwerden ließ, der er folgen konnte. Eine Frau, die ihn zu ihrer eigenen Rache benutzte. Wir beide haben dunkle Begierden, dachte sie. Aber die meinen sind dunkler, als du ahnst.
    »Nein. Aber das hat auch seine Vorteile.« Sie beugte sich über ihn, und ihre Hand legte sich um seinen Nacken. Er hielt sein Gesicht abgewandt, und sie beugte den Kopf vor und legte die Lippen an den Puls an seinem Hals. Sie spürte, wie seine Muskeln sich spannten, und lachte. »Keine Sorge. Es wird noch nicht geschehen.«
    »Was dann?«
    »Das weißt du doch sicherlich«, flüsterte sie, während sie spürte, dass andere Muskeln an ihm sich spannten und an ihrem Schenkel pulsierten. »Wie das geht, weißt du.« Yamagata stand noch einen Augenblick lang reglos da, und dann kam Bewegung in ihn. Ein Arm schlang sich um ihren Körper und zog sie hart an sich, der andere packte ihr Haar und hielt ihren Mund fest für einen Kuss, der beinahe wehtat. Die bewusste Gewalttätigkeit raubte ihr einen Augenblick lang den Atem.
    Sonst wurde nichts zwischen ihnen gesprochen, als ihre Kleider auf den Boden flogen und sie dann das Bett fanden. Als hätte er schließlich gespürt, in welchen Schritten diese unerwartete Einführung ablaufen musste, machte Yamagata ihr den Hof, vollzog das Ritual der Verehrung mit den Händen und dem Mund. Er machte das so gut, dass die Wellen der Lust alle Gedanken an Mark und Rossokow und an Rache hinwegspülten.
    Schließlich löste Ardeth ihren Mund von dem seinen und flüsterte. »Hol das Messer.« Er zog das Klappmesser aus der Tasche seiner zusammengefaltet auf dem Stuhl liegenden Hose und kehrte an das Bett zurück, wo er vor ihr niederkniete, während sie auf der Bettkante saß. Er klappte die Klinge mit der Präzision einer ritualisierten Handlung auf und reichte ihr das Messer.
    Ardeth blickte auf die silbern blitzende Klinge in ihrer Hand. Sie wusste, dass sie sich damit keinen nachhaltigen Schaden zufügen würde, ja, dass es nicht einmal lange wehtun würde. Trotzdem war da etwas in ihr, das davor zurückschreckte, sie anflehte, jetzt noch den Rückzug anzutreten, solange es noch ging.
    Sie atmete tief durch und setzte die Klinge oberhalb ihrer Brust an der Haut an. Ein kurzer Stich, dann war es geschehen. Zuerst spürte sie nichts und dann den Anfang eines scharfen, brennenden Stechens. Sie blickte an sich herunter und sah das Rinnsal von Blut, das ihre Haut wie eine primitive Tätowierung zeichnete. Dann blickte sie zu Yamagata auf, der in angsterfüllter Faszination auf die Wunde starrte.
    Als sie die Arme ausbreitete, lehnte er sich auf den Knien in ihre Umarmung hinein und legte die Lippen über den blutenden Schnitt. Sie fuhr mit den Fingern in die kurze, steife Bürste seines Haares, spürte die Rundungen seines Schädels unter ihren Handflächen und schloss die Augen.
    Ardeth fühlte sein Saugen, als er das Blut in seinen Mund hineinsog. Sie hatte nichts dergleichen mehr erlebt seit der Nächte in dem Kellerverlies, als Rossokow aus ihrem Handgelenk, ihrer Armbeuge und beim letzten Mal aus ihrer Kehle getrunken hatte. Diesmal erzeugte die Erinnerung in ihr keinen Schmerz. Ein paar lange, lustvolle Augenblicke lang verspürte sie nichts als schiere Befriedigung, ein allumfassendes Entzücken, das die Narben der Vergangenheit glättete und sie ihr Unglück vergessen

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