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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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hundert Jahren spurlos aus der Stadt verschwand und ein leeres, von niemandem beanspruchtes Lagerhaus an der River Street hinterlassen hatte.
    Sie blickte vorsichtig zu dem Vampir hinüber. »Sie sind Rossokow. Dimitri Rossokow.«
    Sein Kopf hob sich langsam, wie bei einer Kreatur, die man aus einem langen Schlaf geweckt hatte. Im schwachen Lichtschein konnte sie seine Augen nicht sehen, nur die dünne Linie seines Profils unter dem seidig aschfahlen Haar. »Der sind Sie doch, oder nicht?« Sie drehte sich auf ihrer Pritsche herum und sah ihn an, und die Freude über ihre Erkenntnis wischte plötzlich jegliche Furcht weg.
    »Ja.« Seine Stimme war schwach, ein rostiges Scharren und so trocken, dass es selbst sie in der Kehle schmerzte. »Ich bin Rossokow.«
    »Die haben Sie in dem Lagerhaus gefunden. Und dann haben sie es niedergebrannt, um die Spuren zu verwischen.« Keine Antwort, nur das langsame Wispern seines Atems. »Was ist dort passiert … in dem Lagerhaus?«
    »Ich habe jemanden getötet«, sagte Rossokow langsam, als erinnere er sich an etwas, das Jahrhunderte zurücklag. »Ich bin aufgewacht … so hungrig … Es waren Männer dort, und ich habe einen von ihnen getötet. Der andere hatte eine Maschine … der Schmerz.« Plötzlich beugte sich sein Kopf, und seine Schultern zuckten wie unter einem unsichtbaren Peitschenschlag.
    »Wer hat Sie gefunden? War es Roias?«, fragte sie, aber er hatte sie wieder verlassen, seine Augen waren ausdruckslos und seine Gesichtszüge starr, wie aus Marmor gehauen. Sie sprach noch einmal seinen Namen, aber er reagierte nicht. Ehe sie sich abwandte, sagte sie mit leiser Stimme: »Mein Name ist Ardeth«, weil es plötzlich wichtig war, dass er es wusste.

7
     
    Der zweite Tag dehnte sich noch länger als der erste. Ardeth schritt unruhig in ihrer Zelle auf und ab. Die Bewegung half ihr dabei, ruhig zu bleiben, wenn auch nur durch die Illusion, etwas zu tun. Und die Bewegung hielt sie zudem noch warm; die kühle Feuchtigkeit des Kellers drang ihr in die Knochen.
    Zwei Tage. Ihr kamen sie wie eine Ewigkeit vor. Eine endlose Zeit der Dunkelheit und der Kälte, nur von der grellen Hitze der Angst durchbrochen. Aber außerhalb der Zelle bedeuteten zwei Tage nichts. Es war erst Montag, sie hatte am Montag keine Vorlesungen, man würde sie nirgendwo vermissen, niemand würde erfahren, dass sie aus der Sicherheit ihrer Tagesroutine verschwunden war. Wie viele Tage noch, bis jemand sie vermisste …? Und wie lange danach, bis dieser jemand etwas unternehmen würden?
    Wie lange noch, bis sie dich wieder zwingen, deinen Arm zwischen den Gitterstäben hindurchzuschieben?, fragte die grausame Stimme ganz hinten in ihrem Bewusstsein sie. Sie drehte sich um, um den Gedanken von sich zu schieben, hatte aber keinen Erfolg. Sie blieb stehen, schloss die Augen gegen die Flut der Panik, die in ihrem Geist aufwallte, und atmete tief durch. Der Augenblick der Angst verstrich, wie das immer der Fall war, weil die Angst die endlosen Stunden einfach nicht überstehen konnte, und sie fing wieder an, auf und ab zu gehen.
    Der Vampir – Rossokow, rief sie sich in Erinnerung – schlief mit dem Gesicht zur Wand. Unbewusst hielt sie in ihrer rastlosen Bewegung inne, um ihn anzusehen. Die intellektuelle Freude, die sie bei der Aufdeckung seiner Identität empfunden hatte, war verschwunden, abgestumpft durch seinen hartnäckigen Rückzug vor der Welt während der verbliebenen Stunden der letzten Nacht. Jetzt kennst du also seinen Namen, na und?, spottete die zynische Stimme in ihrem Geist. Jetzt könnt ihr beiden Nettigkeiten austauschen, nachdem er dein Blut getrunken hat.
    Es ist wichtig, redete sie sich entschlossen ein. Es macht einen Unterschied. Vor allem handelte es sich um etwas, das Roias anscheinend nicht wusste – oder von dem er nicht wollte, dass sie es wusste.
    Sie setzte sich auf ihre Pritsche und nahm sich einen Apfel von dem Frühstückstablett, das Wilkens ihr gebracht hatte. Sie hatte endlich ihren ganzen Mut zusammengenommen und ihn angesprochen. Und das war völlig sinnlos gewesen, überlegte sie. Sie hatte ihn gefragt, wie spät es sei, und er hatte geknurrt: »Ich wüsste nicht, was das für einen Unterschied für Sie macht.« Sie hatte darauf keine Antwort gehabt und stumm zugesehen, wie er wieder die Treppe hinauf ins Licht gestiegen war.
    Später am Nachmittag war ein anderer Mann die Treppe heruntergekommen. Er war jünger als Roias und Wilkens, fast noch ein Teenager, und

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