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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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hielt dem Vampir den Stachel vor die Brust, und Roias befestigte die Fußschelle an seinem Knöchel. »Sie waren heute sehr gut, Euer Hoheit. Dafür bekommen Sie heute auch keine Dosis von dem alten Ultraschall«, sagte Roias beiläufig und lehnte sich an die Zellentür des Vampirs. Der Vampir ließ nicht erkennen, ob er ihn gehört hatte. Er ging zu der Pritsche zurück, setzte sich und starrte auf eine Stelle hinter Roias’ Kopf.
    »Sehen Sie«, sagte Roias zu Ardeth, »wir können ihn dazu bringen, dass er alles tut, was wir wollen. Und Sie können wir auch dazu bringen, dass Sie alles tun, was wir wollen. Vergessen Sie das nicht.« Ardeth wünschte sich, sie wäre imstande, die völlige Gleichgültigkeit des Vampirs nachzuahmen, aber sie wagte es nicht. Stattdessen nickte sie, so schnell sie konnte. Wilkens lachte, und Roias klopfte ihm leicht auf die Schulter. Sie konnte ihr Gelächter immer noch von den Wänden hallen hören, als sie die Treppe hinaufstiegen.
    So saßen sie da im Halbdunkel, Ardeth auf ihrer Pritsche, der Vampir auf der seinen. Als ihr stockender Atem sich langsam wieder normalisierte, glaubte Ardeth, das schwache Krächzen zu hören, mit dem der Vampir atmete. Sie atmete tief ein, um das Geräusch zu vergessen. Aber die Bilder, die von dem Film in ihr zurückgeblieben waren, konnte sie damit nicht verdrängen. Wahrscheinlich würden diese Bilder immer in ihrem Bewusstsein ablaufen, eine endlose Bandspule des Schreckens. Sie sah das letzte Bild auf die Innenseite ihrer Augenlider projiziert: Suzy auf dem Tisch liegend, nur mit ihrer Haut und ihrem Blut bekleidet, das rot besudelte Tischtuch, die blutigen Rosen auf der Torte. Und der Vampir, wie er sich müde den roten Mund wischte.
    Ardeth blickte vorsichtig zu dem Vampir hinüber. Er saß reglos da, den Kopf etwas gebeugt. Erst als sie seine Hände sah, die er so fest zusammengeballt hatte, dass die Knöchel weiß wie ausgeblichene Knochen hervortraten, ahnte sie, dass er wahrhaft im Besitz eines Bewusstseins sein musste. Sie konnte sich jetzt nicht mehr einreden, dass er ein entwichener Irrer war, jetzt nicht mehr. Die greifbare, unleugbare Realität, die er repräsentierte, jagte ihr Furcht ein. Bis dato war ihr Universum sehr geordnet gewesen, mit einer klar definierten Grenze zwischen Realität und Fantasie. Jetzt war diese Grenze verschoben, nein, für immer zerschlagen, und sie fand sich in einer Welt ohne feste Fundamente wieder.
    Dies alles wäre ja noch erträglich, dachte sie plötzlich, wenn ich es nur verstehen könnte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie geglaubt, dass sie – solange sie etwas nur verstehen konnte – auch eine gewisse Macht darüber erhielte, angefangen bei historischen Fakten bis hin zu ihren eigenen Gefühlen. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich den letzten Tag einfach geweigert, über ihre Situation nachzudenken, als würde sie sich dadurch irgendwie ändern. Aber wenn sie es jetzt vielleicht schaffte, einen Sinn in dem Wahnsinn zu finden, in dem sie gefangen war, vielleicht gelang es ihr dann, ihre Orientierung in der Welt zurückzugewinnen.
    Aber hier, in der Dunkelheit ihres Kerkers, gab es nur Fragen. Hatte der Mord an Conrad etwas mit ihrer Lage zu tun? Wer war der ›andere Mann‹, von dem die Entführer geredet hatten – konnte es sein, dass es sich um Tony handelte? Wer waren Roias und Wilkens, hatten sie etwas mit Armitage zu tun? Und wenn ja, was? Wer war der Vampir, und welche Verbindung bestand zwischen ihm und den Antworten auf die anderen Fragen?
    Ardeth schlang die Arme um die Knie und starrte in die Dunkelheit hinaus. All diese Fragen zu wälzen schien für den Moment zumindest ihre schmerzhafte, fast körperlich spürbare Wahrnehmung des Geschöpfes in der Zelle nebenan zu überlagern. Vielleicht würde dies ihr Zuflucht bieten. Vielleicht konnte sie sich damit abschirmen, sich vor dem fleischgewordenen Tod schützen, der ihr so nahe war.
    Sie fing mit Roias an. Mit Sicherheit beinhalteten nicht alle Filme, die hier gedreht wurden, einen Mord. Bei den meisten würde es sich um ganz normale Pornofilme handeln, die per Post, in Videoläden und durch private Vertriebe verkauft wurden.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendeine direkte Verbindung zwischen Roias und Armitage gab. Aber warum sollten Männer, die Pornofilme herstellten, sie entführen wollen? Es war klar, dass die gezielt sie verfolgt hatten. Wie sonst hätten sie ihren Namen wissen können? Sie zu entführen war ja

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