Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
Vom Netzwerk:
die Blondine am Ende der Bar noch kälter.
    Es war, weil die Augen des Mädchens rot aufgeflammt waren, so rot wie ihre Ohrringe. Nur eine Sekunde lang. Und ihre Zähne unter ihren roten Lippen spitz wie Eiszapfen ausgesehen hatten. Es war, weil er, nur eine Sekunde lang, Angst gehabt hatte.
     
    Der Name des Mädchens war Ardeth. Rick sprach ihn ein-oder zweimal aus, während Mickey, der beide Gitarren trug, die Straße hinaufstapfte. »Ardeth. Das ist hübsch.« Sie lächelte, und ihre Wimpern huschten einen Augenblick lang über ihre Augen.
    »Danke. Ihr wart sehr gut.«
    »Vielen Dank. Das bezahlt meistens unsere Miete. Wir wollen natürlich eigentlich eine Band zusammenbekommen und in den Clubs auftreten. Andererseits, will das nicht jeder?«
    »Na klar.« Ihre Stimme kam aus weiter Ferne, und zwischen ihren hellen Augenbrauen bildete sich eine kleine Falte. »Bist du neu hier? Ich hab dich noch nie gesehen.«
    »Vielleicht bin ich dir bloß nicht aufgefallen.« Ihr Lächeln war verspielt und kokett, aber in ihrer Stimme schwang Bitterkeit mit.
    »O nein, dich hätte ich ganz bestimmt nicht übersehen«, versicherte ihr Rick, und sie lächelte wieder. Ihre Augen waren weich und haselnussbraun und passten überhaupt nicht zu ihrem Gesicht. Plötzlich wirkte sie sehr zerbrechlich. »Also, würdest du gerne einen Schluck trinken?«
    »Ja, gerne. Komm, ich kenne ein Lokal.« Sie griff nach seiner Hand.
    »Jesus, du bist ja eiskalt.«
    »Weißt du, was die Leute immer sagen – kalte Hände, warmes Herz.« Sie zerrte ihn weiter, und er musste ein paar schnelle Schritte machen, um mit ihr mithalten zu können.
    »Tun sie das?«
    »Ständig.« Ihre Stimme klang müde, aber das Lächeln, mit dem sie ihn ansah, war atemberaubend. »Gleich hier herum.« Sie zog ihn um die Ecke in eine der Seitenstraßen.
    »Hier soll eine Bar sein? Ist mir nie aufgefallen …«, fing Rick an und blieb dann stehen, als sie in eine Nebengasse bog. »Augenblick mal, was soll das?«
    Sie ließ seine Hand los und drehte sich um, sah ihn an. Im schwachen Licht der Straße bestand ihr Gesicht ganz aus Schatten und Kanten, war völlig fremd. »Willst du nicht?«, fragte sie leise. Rick sah die Wände der vierstöckigen Häuser, die in der Hitze schwitzten, blickte auf den langen Schatten des Abfallbehälters, der bis an seine Stiefelspitze reichte. Jemand hatte in grellroter Farbe »Angst« auf die Metallwand des Behälters gesprüht. In der Stille konnte er das schwache Echo der Stimme des Holy Roller am anderen Ende der Gasse hören.
    »Ob ich was will?«
    Sie trat einen Schritt zurück und zuckte mit den Achseln. Der Trenchcoat fiel herunter. Das schwarze T-Shirt war mit dem verblassten Symbol einer Sonne bedruckt. Dann war es ebenfalls weg, und er konnte kurz ihre leuchtenden nackten Brüste sehen, ehe sie hinter dem Abfallbehälter verschwand. »Willst du nicht?«, drang ihr Flüstern zu ihm, halb herausfordernd, halb versprechend.
    Das wollte sie also. Na schön, dachte Rick plötzlich zornig und folgte ihr, packte ihre kühlen, nackten Arme und zog sie an sich.
    Es war einfacher, als er geglaubt hatte. Trotz all seiner Prahlereien vor Mickey bekam er gar nicht so viele Mädchen ab, und bis jetzt hatte er noch nie ein Mädchen in einer dunklen Seitengasse gevögelt, nachdem er kaum fünf Sätze mit ihr gewechselt hatte. Selbst jetzt war da ein Teil von ihm, der Angst hatte. Angst vor den Krankheiten, die man sich zuziehen konnte, Angst vor der Möglichkeit zu versagen. Sogar Angst vor der Dunkelheit. Dass er den Holy Roller und den Nachhall einer lang vergessenen religiösen Vergangenheit hören konnte, half auch nicht gerade. »Ich bin die Auferstehung und das Leben«, tönte der Holy Roller, als das Mädchen sich an dem Reißverschluss seiner Jeans zu schaffen machte. »Wer an mich glaubt, der wird nicht sterben, sondern wiederauferstehen! « Er fragte sich halb benommen, warum das Mädchen lachte, aber dann war er in sie eingedrungen, und sie schlang die Beine um ihn, als er sie gegen die Wand presste, und es störte ihn überhaupt nicht.
    Der Triumph, die Lust war so intensiv, dass er es kaum wahrnahm, als sie anfing, ihn auf den Hals zu küssen. Und als er dann ihre Zähne spürte, hätte er nicht mehr aufhören können, selbst wenn er es gewollt hätte.
    Das Erste, was er sah, als er zu sich kam, war eine Ratte, so groß wie eine kleine Katze. Sie starrte ihn von der anderen Seite der Gasse aus an, und ihre roten Augen leuchteten

Weitere Kostenlose Bücher