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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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glasig. Als er stöhnte und sich aufsetzte, verschwand sie, und ihr schlangenartiger Schwanz peitschte dabei. Sein Kopf fühlte sich so schwer wie ein Gewicht auf seinen Schultern an, und als er versuchte, die Hand zu bewegen, bewegte sie sich so langsam, als würde er sie durch Wasser ziehen. Benommen versuchte er sich zu erinnern. Das Mädchen … Ardeth … Er erinnerte sich, dass er ihr begegnet war, erinnerte sich daran, dass er sie im Dunkeln gevögelt hatte, erinnerte sich sogar vage an den Orgasmus, der sie beide auf den mit Unrat übersäten Boden geworfen hatte. Und dann … dann war da nur noch Dunkelheit.
    Er machte den Mund auf, um nach ihr zu rufen, nach irgendjemandem, aber nur ein gequältes Krächzen kam heraus. Wie lange hatte er hier gelegen? Mickey musste inzwischen weg sein … Herrgott, Mickey würde wütend sein. Er musste aufstehen und Mickey finden, ihm sagen, was geschehen war.
    Rick richtete sich mühsam auf Hände und Knie auf, hielt inne und atmete tief durch. Seine Knie taten weh, und sein Rücken und sein Hals. Bei dem Gedanken an den Schmerz, den er am Hals empfand, regte sich in ihm eine unbestimmte Erinnerung, aber sie verwirrte ihn nur, deshalb schob er sie von sich. An den Abfallbehälter geklammert, zog er sich in die Höhe und setzte sich langsam die Seitengasse hinunter in Bewegung.
    Zweimal musste er stehen bleiben, weil die ganze Welt sich um ihn zu drehen begann, aber dann hatte er es endlich bis zur Straße geschafft und taumelte auf den Bürgersteig. Die Straßenlaternen flammten auf, dann verschwamm ihr Licht plötzlich, und er machte einen Schritt auf die Straße zu, bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Als er wieder klar sehen konnte und aufblickte, sah er auf der anderen Straßenseite, ein kleines Stück weiter auf die Queen Street zu, eine schlanke Gestalt in einem khakifarbenen Trenchcoat stehen. In ihrem schwarzen Haar glitzerte es rot.
    »Ardeth«, ächzte er, stolperte weiter. »Ardeth.« Der Rinnstein kam zu plötzlich und ließ ihn auf die Straße hinausstürzen. Sie drehte den Kopf in dem Augenblick herum, als die Bremsen des Taxis quietschten. Rick sah, wie ihre Augen sich weiteten, rot im Widerschein der Scheinwerfer, dann schleuderte ihn der Aufprall kopfüber in den Rinnstein.

21
     
    Die Menschen, die sich auf den Bürgersteigen von Yorkville drängten, waren so glatt und gepflegt wie die Jaguare oder Mercedes Benz, welche die Straßen säumten. Ardeth glitt wie ein Schatten zwischen ihnen dahin, die schwarze Lederjacke über einem kurzen schwarzen Kleid, das Haar unter einen ausgebeulten Filzhut gestopft. Sie behielt die Sonnenbrille auf, um den Hunger in ihren Augen zu verbergen. Sie ertappte sich immer wieder dabei, wie sie unbewusst an ihrer Unterlippe kaute. Inzwischen schaffte sie es, nur noch alle drei Nächte Nahrung aufnehmen zu müssen. Aber seit ihrer letzten Mahlzeit waren vier vergangen.
    Es war … einfacher geworden, seit jener ersten Nacht vor zwei Monaten. Sie hatte damals gelernt, wie leicht es war, in der Lust des Blutes zu ertrinken. Noch zwei Menschen hatten sterben müssen, bis sie lernte, wie man es vermied, sie zu töten. Ihre geistigen Kräfte waren gewachsen, und sie konnte jetzt die Erinnerung an ihren scharfen Kuss aus dem Bewusstsein ihres Opfers löschen, aber nur, wenn die Opfer während des Bisses durch Alkohol, Drogen, Schlaf oder sexuellen Genuss abgelenkt wurden.
    Die Leiche des Straßenmusikers war kürzlich von einem Arbeiter der Straßenreinigung gefunden worden, aber diesmal hatten die Ratten nicht viel übrig gelassen. Die anderen zwei hatte man nicht entdeckt. Sie las jeden Tag die Zeitungen gründlich durch, um sicher zu sein. Jener Musiker vor zwei Wochen war ihr einziger Fehltritt gewesen … Aber es war doch sicherlich nicht ihre Schuld, dass er vor dieses Taxi gelaufen war? Und in den Zeitungen war der Vorfall gar nicht aufgetaucht.
    Die Artikel über eine verschwundene achtundzwanzigjährige Studentin hatten allmählich ebenfalls aufgehört – die Geschichte kam immer nur dann an die Oberfläche, wenn eine andere Frau verschwand. Dann reihte sich ihr Name in die Aufzählung geheimnisvoll verschwundener Frauen ein: Susan B., die nach einer Party nach Hause fuhr, sich eine Tasse Kaffee machte und verschwand; Lila S., die zwischen dem Ausgang des Shopping Centers und ihrem Wagen verschwand; Ardeth A., die die Straße hinunterging, um die Ecke bog und auf die Vermisstenlisten geriet.
    Die meisten ihrer Nächte

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