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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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der Tasche herum, bis er eine zerknüllte Fünf-Dollar-Note fand. Er warf sie auf den Tisch.
    »Okay. Los geht’s.«
    Ardeth sah, wie Marisas Augen kurz auf und ab wanderten. Sie checkt den Anzug, den linken Ringfinger und den Ausdruck seiner Augen, dachte sie. Sie versucht, herauszufinden, ob er einfach zu viel gefeiert hat, oder ob er aus Verzweiflung so viel getrunken hat. Das Mädchen mischte die Karten und breitete sie dann verdeckt vor ihm aus. »Berühren Sie sie einmal«, instruierte sie ihn, und er kam der Aufforderung nach. Sie mischte einmal, zweimal und begann sie dann auf dem Tisch auszulegen. Als sechs Karten dalagen, mit der Rückseite nach oben, faltete sie die Hände im Schoß und schloss einen Moment lang die Augen. Ihre Lippen bewegten sich. Sie betet darum, es richtig zu machen, dachte Ardeth lächelnd. Von ihrem Aussichtspunkt aus würde sie mit ihrer geschärften Sehkraft die Karten erkennen können, ehe das Mädchen sie ihrem Kunden zeigte.
    »Dies ist Ihre Vergangenheit«, begann Marisa und deckte die erste Karte auf. »Die Münzen bedeuten Wohlstand. Sie kommen aus einer reichen Familie.« Woher hast du das gewusst?, fragte Ardeth das Mädchen lautlos. Wohl an der Art und Weise, wie er den Anzug trägt. Kein neureicher Yuppie. Weitere Karten wurden aufgedeckt und lagen jetzt wie Juwelen auf dem weißen Tuch. »In letzter Zeit sind Sie belohnt worden, eine berufliche Beförderung.« Der Mann nickte fast geistesabwesend, den Blick starr auf die Karten gerichtet. »Das hat Ihnen Freude gebracht, aber auch Sorge. Machen Sie sich keine Sorgen. Die Karten deuten auf großen Erfolg, große Macht hin.« Er grinste verlegen, wie um damit anzudeuten, dass er zwar nicht an ihre Fähigkeiten glaubte, aber dass ihre Prophezeiung ohne Zweifel Wirklichkeit werden würde. »Dies ist die Karte, die Ihre Gesundheit zeigt. Sie bedeutet, dass Sie sich vor Herzkrankheiten hüten müssen. Die hat es bereits zuvor in Ihrer Familie gegeben, Sie müssen also vorsichtig sein.« Nicht so schwierig, so etwas zu erraten, dachte Ardeth. In reichen Familien gibt es immer Herzinfarkte. Aber der Mann nickte wieder, und der Zweifel in seinen Augen begann zu schwinden.
    »Das Nächste ist Ihre Herzkarte«, sagte Marisa, und ihre Stimme ging in einen Singsang über. »Die Pik Dame – eine Karte, die auf die Zukunft abzielt, denn derzeit gibt es niemanden in Ihrem Leben. Diese Karte symbolisiert eine Frau von großer Schönheit und Macht.«
    »Wie weit in der Zukunft?«, fragte der Mann plötzlich und schloss die Frage mit einem sich selbst verspottenden kleinen Lachen ab.
    »Das wird uns diese letzte Karte verraten.« Sie nahm die letzte Karte in die Hand und erstarrte, das Bild immer noch sich selbst zugewandt. Ardeth sah mit zusammengekniffenen Augen durch die Sonnenbrille auf die Karte. O du liebe Güte, dachte sie mit plötzlichem Mitgefühl. Die hättest du ihm nicht zeigen sollen, wie? Die hättest du nicht einmal im Stapel haben sollen.
    »Und?«, fragte der Mann, und Marisa drehte die Karte langsam um und deckte damit das Skelett mit der Sense auf.
    »Diese Karte bedeutet, dass Ihre Liebe bis zum Tod andauern wird. Und dass Ihnen Ihre Zukunft sehr nahe ist.« Er starrte die Karte an, blinzelte, und es war ihm anzusehen, dass in ihm das Unbehagen mit dem warmen Glühen des Alkohols kämpfte.
    »Die Karten haben Ihnen eine gute Zukunft gezeigt, Sir.«
    »Ja, richtig. Danke.« Er trat von dem Tisch zurück, und das Unbehagen gewann die Oberhand. Ardeth stand auf und trat auf die Straße hinaus. Als er sich zu ihr umwandte, nahm sie die Sonnenbrille ab.
     
    Es stellte sich heraus, dass er etwas feierte. Sein Name war Philip – Sohn eines Industriellen und vor kurzem zum Public Relations Direktor in einer der Firmen seines Vaters ernannt. Ardeth ließ sich von ihm in einem der Straßencafés zu einem Glas Wein einladen und hörte sich seine Lebensgeschichte an, die er ihr mit der selbstbewussten Zuversicht eines Menschen erzählte, der der Ansicht war, sie hätte für die Welt eine Bedeutung.
    Sie sagte ihm, dass sie Carmilla heiße, und als er schließlich nach ihrem Beruf fragte, dass sie Schriftstellerin sei. Es war nicht gerade ihre Lieblingsstory, aber sie musste variieren. »Wirklich? Was schreiben Sie denn?«
    »Historische Liebesromane. Unter einem anderen Namen natürlich. Wahrscheinlich haben Sie noch keines meiner Bücher gelesen.«
    »Wahrscheinlich nicht. Komisch, ich dachte immer, um Liebesromane zu

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