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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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ist sie verschwunden?«, wollte Mickey wissen.
    »Das weiß ich nicht genau. Das letzte Mal hat man sie in einer Vorlesung im März gesehen. Ich hatte ein paarmal versucht, sie anzurufen, aber es meldete sich nie jemand. Dann rief mich ihre Freundin Carla an und wollte wissen, wo Ardeth sei. Man hatte seit einer Woche nichts mehr von ihr gehört, ich meine niemand. Carla und ich haben sie dann am Tag darauf als vermisst gemeldet.«
    »Was hat die Polizei gesagt?«
    »Was konnten die schon sagen? Sie ist schließlich erwachsen und kann tun, was sie will. Sie haben in ihrer Wohnung nachgesehen und ihr Bankkonto überprüft. Nichts fehlte. Dann haben sie einen Bericht geschrieben, eine Menge Fragen gestellt und überall herumgeschnüffelt. Ich habe ihnen gesagt, dass Ardeth nie auf diese Weise verschwinden würde. Dazu war sie zu berechenbar, zu verantwortungsbewusst. Wissen Sie, was mir der Sergeant gesagt hat, als ich sagte, dass Leute wie Ardeth einfach nicht verschwinden? Er sagte ›Miss Alexander, Leute wie Ihre Schwester sind genau die Art von Leuten, die einfach verschwinden.‹ Nach einer Weile hörten sie auf, besonders gründlich zu suchen. Die glauben, dass sie eines Tages als Unbekannte in einer Leichenhalle auftauchen wird.«
    »Nun, wenigstens wissen Sie jetzt, dass sie noch lebt. Und sie ist irgendwo hier in der Stadt.«
    »Und sie steckt in Schwierigkeiten. Das weiß ich ganz genau. «
    »Warum gehen Sie nicht zur Polizei? Ich sag denen, was ich gesehen habe.«
    »Damit die dann glauben, dass sie etwas mit dem Tod Ihres Freundes zu tun hat?«, wandte Sara ein. »Warum sollte ich das tun? Wenn sie Probleme hat, dann werde ich die nicht noch verschlimmern, indem ich die Bullen mit hineinziehe. Ich werde sie selbst finden.«
    »Sie wissen aber nicht, worin diese Probleme bestehen. Vielleicht sollten Sie besser die Finger davon lassen«, riet Mickey vorsichtig.
    »Sie ist meine Schwester. Sie ist alles, was von meiner Familie noch übrig ist. Ich will herausbekommen, was mit ihr passiert ist.«
    »Sara … vielleicht will sie nicht gefunden werden. Sie ist die ganze Zeit hier gewesen und hat Sie nicht einmal angerufen. «
    »Dann kann sie mir das selbst sagen. Darauf habe ich zumindest ein Recht.«
    »Und wie werden Sie sie finden?«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber mir wird schon etwas einfallen. Wenn Sie sie gesehen haben, muss sie auch jemand anderer gesehen haben. Und weitere Leute werden es noch tun.«
    »Ach, Scheiße«, fluchte Mickey plötzlich und sah auf die Uhr. »Ich bin schon zu spät, ich muss jetzt los.« Er fuhr mit der Hand in seine Jackentasche und fummelte etwas Kleingeld für ihren Kaffee heraus. Die Münzen klirrten auf der Resopalplatte des Tisches, als er aufstand. »Sara … viel Glück. Hoffentlich finden Sie sie.«
    »Danke.«
    »Und«, er machte eine kleine Pause, »wenn Sie je einen Gitarristen brauchen …« Einen Augenblick lang flammte Wut in ihr auf, verlosch dann aber wieder. Sie lächelte traurig.
    »So ist das Geschäft, früher oder später werden wir wieder einen suchen. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer.« Er kritzelte sie auf die Serviette, die sie ihm hinstreckte, und rannte dann hinaus. Einen Augenblick später tauchte sein Gesicht in dem halbgeöffneten Fenster neben ihrer Nische auf. »Sara, hören Sie, ich hab’s – ich meine, wie wir Ihre Schwester finden können. Ich komme heute Abend ins Gold Rush und erklär es Ihnen, okay?« Sie nickte, und dann war er, ehe sie noch etwas sagen konnte, verschwunden.
    Sara starrte die Nummer auf der Serviette einen Augenblick lang an und sah sich dann unter den Gästen des Bistros um, suchte jedes Frauengesicht ab, sah Ardeths Augen in einem und ihre Kinnpartie in einem anderen. Nach Mickeys Beschreibung von der Frau mit den Ohrringen hatte sich Ardeth so grundlegend verändert, dass es ihr nicht leichtfallen würde, sie zu finden. Zwei Monate lang hatte sie die Straße nach der Schwester abgesucht, an die sie sich erinnerte, und dabei hätte sie an Ardeth vorbeigehen können, ohne sie eines zweiten Blickes zu würdigen.
    Schwarzes Haar, weiße Haut, wilde, unheimliche Augen – das war nicht die Schwester, die sie kannte. Nicht die vernünftige, verlässliche, langweilige Ardeth.
    Und, sei doch ehrlich, so hast du sie doch gesehen. Verdammt, sie hat sich ja selbst auch so gesehen. War es vielleicht dieses Image, gegen das sie sich aufgelehnt hat?, fragte sich Sara. Du hast sie immer dazu ermuntert, hast ihr gesagt, sie

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