Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Straßenmusiker, den Sie aufgegabelt haben. Der, der dann im Rinnstein liegen blieb, als ihn ein Auto überfuhr. Also, was haben Sie ihm gegeben?« Er schrie sie jetzt an, schüttelte sie, und seine Finger packten so hart zu, dass es wehtat.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Und wenn Sie Ihre Scheißpfoten nicht wegnehmen, schreie ich nach einem Bullen.«
»Nicht, solange Sie mir nicht gesagt haben, was Sie ihm gegeben haben!«
»Also schön, also schön«, log Sara schnell. »Lassen Sie mich los, dann sag ich es Ihnen.« Sie betete darum, dass er seinen Griff genügend lockerte, damit sie sich losreißen und wegrennen konnte. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie die Passanten hastig und mit gesenktem Blick an ihnen vorbeihuschten. Eine tolle Hilfe wären die, dachte sie angewidert. Ihre einzige Hoffnung lag darin, in einen Laden zu laufen, vielleicht sogar ins Gold Rush.
Der Mann starrte ihr einen Augenblick lang ins Gesicht und löste dann eine Hand von ihrer Schulter. Mit der anderen griff er nach der ihren. Sie zuckte schmerzerfüllt zusammen, als seine kurzen, kräftigen Finger sie packten. »Also schön, ich warte.«
»Bitte, glauben Sie mir. Für wen auch immer Sie mich halten, Sie täuschen sich. Das mit Ihrem Freund tut mir leid, aber ich hatte nichts damit zu tun.«
»Sie sind aber nicht der Typ, den man so schnell vergisst. Selbst wenn Sie sich die Haare haben schneiden und rot färben lassen, statt schwarz. Ich erinnere mich an Sie.« In seiner Stimme lag nicht der Hauch eines Zweifels, aber der fanatische Glanz in seinen Augen war verblasst.
»Ich werde es Ihnen beweisen«, sagte Sara verzweifelt. »Kommen Sie mit.«
»Wohin?« Seine Hand packte wieder fester zu, und sie biss sich auf die Lippen, um nicht aufzuschreien. Plötzlich lockerten sich seine Finger, als ob ihm gerade bewusstgeworden wäre, dass er ihr wehtat. Aber er ließ sie nicht ganz los.
THE GOLD RUSH. Er sah auf die Neontafel, einen halben Block weiter oben auf der Straße.
»Okay. Gehen wir.«
Danny stand hinter der Bar, als sie eintraten, er lehnte an der Theke und sah den Billardspielern weiter hinten im Saal zu. Er blickte auf und grinste. »Bist früh dran, Sara.«
»Du musst mir helfen.« Der Barkeeper musterte den Mann an Saras Seite neugierig und zuckte dann die Achseln.
»Und wie das?«
»Wo war ich vor zwei Wochen, am Freitagabend?«
»Hier natürlich.«
»Und wie lange?«
»Herrgott, das weiß ich doch nicht. Du bist wohl gegen neun hergekommen, denke ich.«
»Und wann ist diese Sache passiert?«, fragte Sara den Mann, der Danny argwöhnisch beobachtete.
»Gegen halb zwölf oder so«, erwiderte er, und sie spürte, wie sein Griff an ihrem Handgelenk sich weiter lockerte.
»Wo war ich um halb zwölf?«, fragte sie Danny.
»Auf der Bühne, da, wo du freitagabends meistens bist. Was zum Teufel soll das? Krieg ich jetzt einen Preis, oder was?«
»Nur eine Frage noch. Welche Farbe hatte mein Haar vor zwei Wochen?«
»Rot. So wie jetzt«, erwiderte Danny verdutzt.
»Da haben Sie’s.« Sie drehte sich mit einem triumphierenden Lächeln zu dem Mann um. »Glauben Sie mir jetzt?« Er sah sie einen Augenblick lang an und schloss dann müde die Augen.
»Manchmal bin ich ein richtiges Arschloch«, murmelte er und ließ ihre Hand los. Er machte die Augen wieder auf. »Es tut mir wirklich leid.«
»Ist schon gut.« Sara spürte, wie ihr Ärger nachließ. »’S’ ist okay, wirklich. Muss hart gewesen sein. Dass ihr Freund umgekommen ist, meine ich.«
»Ich war mir so sicher. Sie sehen genauso aus wie sie. Bloß das Haar ist anders. Sie kleiden sich sogar gleich.«
»Hey, auf dieser Straße ziehen sich an manchen Tagen alle so an«, sagte sie und deutete auf ihren schwarzen Minirock und das locker sitzende Top.
»Vielleicht, aber nicht jeder hat solche Ohrringe.« Er deutete auf sie und setzte dann dazu an, sich umzudrehen, sich nochmals entschuldigend. Sara griff sich instinktiv ans Ohr, als erinnere sie sich plötzlich nicht mehr daran, was für Ohrringe sie gerade trug. Die metallischen Köpfe mit den Flügeln fühlten sich kühl unter ihren Fingern an, und sie spürte leichten Druck von dem kaputten Verschluss an einem der roten Steine.
Nun, wenigstens hatte ihre Doppelgängerin einen guten Geschmack, dachte sie geistesabwesend. Und dann weiteten sich ihre Augen. Sie hatte diese Ohrringe von ihrer Freundin Mira gekauft. Sie waren einmalig. Oder beinahe einmalig. Mira hatte zwei Paar gemacht, und Sara
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