Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
hatte sie beide gekauft. Ein Paar hatte sie Ardeth zum Geburtstag geschenkt.
»Mein Gott«, hauchte sie, blickte auf und sah, wie die Tür sich hinter dem Mann schloss, als dieser die Bar verließ.
Ein Stück weiter die Straße herunter holte sie ihn ein. »Warten Sie«, keuchte sie und packte ihn am Arm.
»Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut. Lassen Sie mich wenigstens vom Schauplatz meines Verbrechens entkommen«, fing er an, aber sie gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt.
»Sind Sie sich sicher, ganz sicher, dass das Mädchen, das Sie gesehen haben, solche Ohrringe trug?«
»Klar. Ich werd’s nie vergessen.«
»Dann erzählen Sie mir alles, was sich in jener Nacht zugetragen hat«, forderte Sara.
»Was soll das jetzt? Kennen Sie das Mädchen?«
»Es gibt in der ganzen Stadt nur zwei Paar solcher Ohrringe. Ich besitze eines davon. Meine Schwester hat das andere.«
»Dann kennen Sie sie also. Wo ist sie?« Seine Stimme war wieder kalt und zornig geworden.
»Ich weiß es nicht. Das ist es ja. Sie ist verschwunden. Sie ist seit zwei Monaten verschwunden. Und wenn Sie sie jetzt gesehen haben, dann bedeutet das, dass sie noch lebt. Dann ist sie nicht …« Sara spürte, wie ihr die Stimme den Dienst versagte und sie das Wort nicht aussprechen konnte, nicht einmal, um es zu verneinen.
»Jesus«, sagte der Mann leise.
»Ich habe zwei Stunden auf Rick gewartet. Und dann bin ich schließlich nach Hause gegangen. Am nächsten Tag rief das Krankenhaus an. Rick war an inneren Verletzungen gestorben«, schloss Mickey und starrte in seine Kaffeetasse. Sie saßen in einem Bistro und hatten sich inzwischen etwas verlegen miteinander bekanntgemacht.
»Wie kommen Sie darauf, dass Ardeth etwas mit dem Unfall zu tun hatte?«, fragte Sara verwirrt und versuchte dabei immer noch, seine Beschreibung der dunkelhaarigen, schwarz gekleideten Frau mit der Erinnerung in Einklang zu bringen, die sie von ihrer Schwester hatte.
»Der Taxifahrer hat gesagt, Rick sei einfach auf die Straße gefallen, als ob er betrunken oder irgendwie high gewesen wäre. Als er mit mir eine halbe Stunde vorher Musik gemacht hat, war er völlig clean.«
»Hat man in seinem Blut irgendwelche Hinweise auf Rauschgift oder Alkohol gefunden?«
»Das weiß ich nicht. Die wollten mir nichts sagen. Daran war auch etwas Unheimliches. Die Polizei hat das Ganze einfach abgeschrieben, den Fahrer nicht einmal angeklagt. Ich schätze, es war wirklich nicht seine Schuld. Aber als ich im Krankenhaus war, fragte mich einer der Ärzte, ob Rick in letzter Zeit Blut gespendet hätte, weil er mehr verloren hatte, als sich durch den Unfall erklären ließ. Rick hat nie Blut gespendet. Dazu hatte er viel zu viel Angst vor Spritzen und Nadeln und solchem Zeug.«
»Also schön, ich gebe ja zu, dass es ziemlich seltsam ist. Aber ich begreife immer noch nicht, was Ardeth Ihrer Ansicht nach damit zu tun hatte. Hat sie denn jemand am Unfallort gesehen?«
»Nein. Schauen Sie, ich weiß ja, dass es verrückt klingt, aber Sie haben sie in dieser Nacht auch nicht gesehen.« Er hielt verlegen inne und sah sich im Raum um, als wollte er sie um keinen Preis ansehen. »Sie war unheimlich.«
»Was soll das bedeuten?«
»Ich weiß nicht. Sie hatte einfach etwas an sich … Deshalb dachte ich auch, dass sie gekifft hatte. Etwas, das sie Rick gegeben hat, und das ihn dazu gebracht hat, vor dieses Taxi zu laufen.«
»Ardeth hat ihr ganzes Leben lang noch nie Drogen genommen. Sie hat kaum einmal getrunken«, erregte sich Sara.
»Klar, und sie hatte auch kein schwarzes Haar und ist auch nicht verschwunden, stimmt’s?«
»Ach, vergessen Sie’s. Vielen Dank für die Information«, brauste sie auf und schickte sich an, aufzustehen. Er hatte Recht, und genau das war es, was so wehtat. Ardeth hatte sich offenbar viel stärker verändert, als sie je geahnt hatte.
»Tut mir leid. Sara, bitte setzen Sie sich.« Sie sank wieder auf die mit Plastik bezogene Bank und fuhr sich mit den Händen durch ihr kurzes Haar.
»Sie haben Recht. Es ist nur einfach so schwer zu glauben. An ihr war alles so korrekt, dass man es kaum glauben konnte. Vielleicht hat ihr einfach jemand die Ohrringe gestohlen. Vielleicht haben Sie jemand anderen gesehen.«
»Jemanden, der ganz zufällig so wie Sie aussieht?«, konterte er, und sie seufzte und ließ den tröstenden Gedanken, den die Idee vom Diebstahl in ihr erzeugt hatte, ebenso schnell wieder los, wie sie sich an ihn festgeklammert hatte. »Wann
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