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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zerstörten die Einbände und zertraten, was die Hände nicht zu verunstalten imstande waren, mit ihren genagelten Stiefeln.
    Einige aus der Menge klatschten laut Beifall, andere jedoch stöhnten und weinten, und als ein besonders schön gebundenes Exemplar des Korans zerfetzt auf dem Scheiterhaufen landete und rasch Feuer fing, stieg ein hoher, klagender Ton einer betagten Frauenstimme in den verhangenen Nachthimmel.
    »Das ist erst der Anfang.« Rashids Stimme war dunkel vor mühsam unterdrückter Wut. Er und Doña Pilar und Miguel standen am Rand des Massakers, ratlos, zornentbrannt. »Jetzt sind es noch Bücher. Werden es beim nächsten Mal Menschen sein?« Er ballte seine Fäuste, als wollte er im nächsten Augenblick losschlagen. »Welch grausame Wesen diese Christen doch sind! In einer einzigen Nacht zu zerstören, was Andersgläubige in langen Jahrhunderten an Wissen und Schönheit erschaffen haben.«
    Auch Pilar schaute voller Entsetzen in die Flammen, die sie auf ihrem Weg zu Antonios Haus überrascht hatten.
    »Der Padre hat es geahnt«, flüsterte sie. »Jetzt erst verstehe ich ihn ganz. Ich hoffe nur, Manolo konnte in seiner Krypta so viele arabische Bücher wie möglich retten!«
    »Die Zeiten des Hoffens sind vorbei.« Rashids Stimme war scharf wie eine Klinge. »Zum Glück hat die Krypta des Priesters nicht nur Bücher geborgen, sondern auch Lanzen und Schwerter.« Er schlug den Umhang zurück und entblößte für einen Moment seine Waffe. Dann verschwand sie wieder unter dem weiten Stoff. »Jetzt ist die Zeit der Krieger gekommen. Diese Nacht werden die Ungläubigen von Granada niemals vergessen!«
    Er wollte davon.
    »Warte!« Miguel packte seinen Umhang und hinderte ihn am Weitergehen. »Dein Vater und deine …« Er zögerte kurz, dann sprach er weiter: »… Lucia brauchen dich jetzt am dringendsten, vergiss das nicht. In den Kerkern der Festung kann jede Stunde eine Ewigkeit bedeuten.«
    Wütend wie ein gereizter Stier fuhr Rashid zu ihm herum. »Meinst du, ich wüsste das nicht? Aber ihr, mit eurem lächerlichen Vorhaben, den Stein fertig zu schleifen und den Ring zu schmieden, habt doch alles nur noch schlimmer gemacht. Mein Vater hat sogar seine berühmte Schneidehand eingebüßt! Hast du auch nur eine Ahnung davon, was das für ihn bedeutet? Selbst wenn er freikommt, ist sein Leben zerstört. Wären wir schneller gewesen, er könnte noch gesund sein. Und wenn er an seinen Verletzungen stirbt, was dann? Hast du dann auch wieder eine Binsenwahrheit parat?« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Wieso habt ihr nicht beizeiten auf mich gehört?«
    »Antonio ist frei und deine Mutter und Nuri auch«, wandte Pilar ein, die keinen Streit zwischen den beiden jungen Männern aufkommen lassen wollte. »Sie sind in Sicherheit. Unversehrt. Das ist schon mal ein Anfang …«
    »Wozu?«, unterbrach er sie. »Damit sie sich blindlings diesem vorlauten Christen an den Hals wirft?«
    Miguel wandte sich von den zuckenden Flammen ab und nahm ihn ins Visier. »Und du und Lucia? Wo genau ist da der Unterschied?«
    Pilar schnappte nach Luft. »Das alles könnt ihr austragen, sobald die Gefangenen wieder heil bei uns sind und wir uns alle in Sicherheit befinden«, sagte sie. »Keinen Augenblick früher! Wir sollten Lucero nicht unterschätzen. Wir haben ihn öffentlich beschämt, dafür wird er sich rächen. Ich fürchte, dass er binnen Kurzem einige von uns erneut festnehmen lassen wird, um sie mundtot zu machen. Die Macht, über Leben und Tod entscheiden zu können, schmeckt ihm viel zu süß. Wieso sollte er von ihr lassen, wo er sie doch in vollen Zügen auskosten könnte?«
    »Dann ist Antonios Haus ja eine gefährliche Falle!«, rief Rashid.
    »Aus diesem Grund werden wir alle es auch schleunigst verlassen«, sagte Pilar. »Du kennst das blaue Haus mit den Blüten an der Wand im ehemaligen Judenviertel?«
    Er nickte knapp.
    »Dorthin werden wir gehen. Alle zusammen. Durch eine Falltür gelangt man in den Keller, der zu einem Gewölbe ausgebaut wurde, in dem man sich mit einigen Vorräten tagelang aufhalten kann. Sogar eine unterirdische Zisterne ist vorhanden. Von außen lässt sich nichts davon erkennen. Mein kluger Vater hatte an alles gedacht.« Sie zögerte. »Auch an den Ausbau seiner Gewürzhalle, kurz bevor die Juden aus Granada vertrieben wurden. Die Halle, aus der ich dich eben abgeholt habe und die den Brüdern Allahs jetzt als Übungsplatz dient.«
    Beschämt senkte Rashid den

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