Die Nacht von Granada
Kopf.
»Ich kann manchmal ein ziemlicher Idiot sein«, begann er zu stammeln. »Verzeih …«
Holzscheite knackten und stöhnten. Angebrannte Buchseiten flogen in der Luft herum wie versengte Vögel. Die Haare einer jungen Frau fingen Feuer, und sie schrie gellend auf, bis eine Ältere geistesgegenwärtig ein Tuch darüber geworfen hatte, um die Flammen zu ersticken.
Schluchzend fiel die Junge ihr um den Hals, weinte und weinte, als sollten ihre Tränen den Brand löschen.
Pilar ergriff Rashids Hände. »Rettet sie!«, sagte sie. »Holt Lucia und deinen Vater aus den dunklen Verließen der Alcazaba. Allein darauf kommt es jetzt an.«
Erzbischof Talavera stand am Fenster seines Palastes. Die rundlichen Schultern zuckten, so reichlich flossen seine Tränen.
»In diesen Flammen geht alles zugrunde, woran ich seit jeher geglaubt habe«, sagte er schluchzend. »Aber die Religionen des Buches sind Brüder. Das weiß ich! Und ich werde auch künftig daran festhalten, was immer auch geschieht.«
»Wir müssen handeln, Bruder Hernando.« Padre Manolos Stimme klang fordernd. »Die Zeit drängt! Zum Trauern ist später noch Zeit genug.«
Der Erzbischof sah ihn besorgt an. »Und du hast wirklich einige Bücher retten können?«, fragte er abermals und schnäuzte sich ausgiebig. »Viele?«
»Das habe ich. Und nicht nur ich allein. Aufgrund meiner mit Absicht unvollständigen Listen konnten viele der wertvollen Bücher in den Häusern von Granada verborgen und damit unentdeckt bleiben. Doch wie lange noch? Solange Menschen wie Rodriguez Lucero Macht ausüben können, gibt es keine Sicherheit, weder für Menschen noch für Bücher!«
Er trat näher zu dem fülligen Mann, der sich nicht vom Fenster zu lösen vermochte.
»Sie sind unschuldig.« Wie oft hatte er das inzwischen schon gesagt? »Alle beide. Der Ring, den Lucero für sich bestellt hatte, war lediglich ein Vorwand, um öffentlich mit den Mauren abzurechnen. Dass Kamal in der Zwischenzeit zwangsgetauft wurde, kam Lucero dabei erst recht gelegen. So konnte er ihm das Motiv der Rache unterstellen. Und das Mädchen, Bruder Hernando! Ich kenne sie von klein auf. Lucia darf nicht zum Spielball seiner Machtgelüste werden!«
»Sie ist die Tochter einer Jüdin, hast du gesagt?« Talavera klang auf einmal zögerlich.
»Aus Miriam, der Jüdin, wurde nach der Taufe Maria, die Christin.« Den hässlichen Ausdruck Marranin , der ihm ohnehin zuwider war, wollte der Priester jetzt erst recht nicht in den Mund nehmen. »Ich kenne die Tante gut, Doña Pilar. Ohne ihre Hilfe müsste ich die Armenspeisung von San Nicolás schon morgen schließen. Kaum jemand leistet meiner Gemeinde größere Dienste als sie. Bitte, Bruder, zögere nicht länger – handle!«
Der Erzbischof griff zum Weinpokal, trank lange und durstig.
»Es ist ganz und gar nicht ungefährlich, sich in die Belange der Inquisition einzumischen«, sagte er, nachdem er ihn wieder abgesetzt hatte. »Und es bringt zudem, wie die Erfahrung gezeigt hat, meistens erbärmlich wenig. Diese Institution hat in ihrem Kampf gegen die Bedrohungen des rechten Glaubens ihre ganz eigenen Regeln und Gesetze, das weißt du ebenso gut wie ich.«
»Aber in diesem Fall geht es doch gar nicht um eine Bedrohung des rechten Glaubens«, rief Padre Manolo aufgebracht, »sondern um einen Edelstein, der zwei Familien ins Unglück gestürzt hat. Der Hyazinth war niemals gestohlen, sondern lag die ganze Zeit in unserem Ziborium, wo kein anderer als Lucero oder, in dessen Auftrag, Ortiz ihn platziert haben …«
Er hielt inne, weil Talavera sich plötzlich mit einer gequälten Geste an die Stirn fasste.
»Was ist mit dir?«, fragte er. »Bist du krank?«
»Das alte Leiden«, flüsterte der Erzbischof. »Quälende Kopfschmerzen, die mir schier den Schädel sprengen wollen. Ich fürchte, ich muss mich auf der Stelle zurückziehen. Allein Ruhe und Kühle können jetzt noch Linderung bringen.«
»Du lässt mich im Stich, Bruder Hernando? Und nimmst damit billigend in Kauf, dass womöglich zwei Unschuldige auf einmal von einem selbstherrlichen Fanatiker in den Tod getrieben werden? Das kann nicht dein Ernst sein! Wo ist dein früherer Kampfgeist geblieben? Ich erkenne dich nicht wieder.«
Talavera schien gar nicht mehr richtig zuzuhören, sondern wedelte mit einem großen Leinentuch, um sich Kühlung zu verschaffen.
»Und was ist mit den Folgen?« Der Priester dachte an die Waffen, die ihr Anführer Zegri mit den Söhnen Allahs vor Kurzem
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