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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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du?«, rutschte ihr heraus, als sie eine Laute neben dem Fenster entdeckte und ein paar geometrische Zeichnungen, über die er schnell ein leeres Blatt schob.
    »Ja«, sagte er. »Und ich schwöre beim Gedenken an meine tote Mutter, dass ich den Hyazinth nicht gestohlen habe. Glaubst du mir, Nuri?«
    »Das unterstellt dir doch niemand.« Ihre Wangen brannten vor Scham. »Wenn du nicht gewesen wärst, so stünden wir …«
    »Es war sehr mutig«, sagte er, »und sehr, sehr leichtsinnig, hier einfach einzubrechen. Wäret ihr meinem Onkel in die Hände gefallen, so …« Er brach ab. »Ich wünschte nur, du wärst aus einem anderen Grund gekommen«, fuhr er schließlich fort. »Du hier bei mir – manchmal habe ich davon geträumt.«
    »Aber das wäre ganz und gar unmöglich!«, rief sie. »Und das weißt du ganz genau. Ich bin eine Muslima, die ihr Zuhause eigentlich nicht verlassen darf, und du …«
    »Ich habe nichts gefunden.« Lucia stand plötzlich wieder im Zimmer. »Nirgendwo. Wo sonst könnte er ihn noch haben?«
    Miguel schüttelte abermals den Kopf. »Der Stein ist nicht im Haus«, sagte er. »Hab ich es euch nicht gleich gesagt? Eure Nachbarin muss sich getäuscht haben!«
    »Ich glaube, er hat recht, Lucia.« Nuri wirkte auf einmal fahl vor Müdigkeit. »Lass uns heimgehen. Hier kommen wir nicht weiter.«
    »Ich verspreche, die Augen aufzuhalten«, rief Miguel. »Wenn mir auch nur das Geringste auffällt, sage ich euch sofort Bescheid.«
    »Wenn es dann nicht schon zu spät ist.« Lucia nahm ihre Freundin an der Hand. »Lass uns gehen. Ich bin innerlich so enttäuscht und leer, dass ich nur noch heulen könnte!«
    Nuri ließ sich mitziehen, blieb allerdings noch einmal stehen und drehte sich um.
    Miguel stand noch immer in der Türe, die Linke auf seine Brust gelegt. Seine Augen konnte sie nicht mehr erkennen, und dennoch wusste sie plötzlich, dass er ihr hinterherschaute.
    Trotz ihres elenden Zustands machte ihr Herz einen kleinen Sprung.
    Inzwischen waren die Gassen menschenleer und sie beeilten sich voranzukommen.
    »Er muss ihn trotzdem haben«, murmelte Lucia. »Vielleicht gibt es einen anderen Ort, an dem Gaspar ihn versteckt hat. Hana hat die Wahrheit gesagt, und was ich bei Padre Manolo in der Kirche mit anhören musste …«
    »Kannst du nicht endlich aufhören?«, rief Nuri. »Wir haben doch alles versucht! Was willst du denn noch mehr, Lucia?«
    »Die Wahrheit, Nuri – und Gerechtigkeit …«
    Ein dunkler Schatten verstellte ihnen plötzlich den Weg.
    »Was macht ihr hier mitten in der Nacht?«, fragte eine Männerstimme.
    »Rashid!« Nuri lachte und weinte zugleich, während sie ihrem Bruder an den Hals flog. »Dass ich dich endlich wiederhabe! Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt?«
    Er ließ sie kurz gewähren, dann schob er sie beiseite. »Sag mir lieber, wo ihr wart!«, verlangte er streng. »Zu dieser Zeit? Und ohne männlichen Schutz? Sag du es mir, Lucia!«
    Nicht ein freundliches Wort. Geschweige denn eine Berührung. Er hatte sie vorgewarnt. Selbst in Gegenwart Nuris galten seine strengen Regeln, denen sie zugestimmt hatte.
    Lucia hatte nur seine Augen, diesen kurzen, zupackenden Blick voller Wärme und Verlangen, den er ihr geschenkt hatte – nicht mehr.
    Sie holte tief Luft. Dann berichtete sie in knappen Sätzen von dem Verschwinden des Steins, von Hanas Beobachtungen, dem väterlichen Verbot und wie Nuri und sie es umgangen hatten. Miguels Beteiligung ließ sie, aus einem Gefühl der Vorsicht heraus, ganz aus dem Spiel, und sie tat es nicht nur ihretwegen, sondern vor allem für Nuri. Und sie behielt auch Gaspars merkwürdige Beichte für sich, weil sie den Priester nicht mit hineinziehen wollte.
    »Ihr seid tatsächlich ins Haus dieses Ortíz eingedrungen?«, vergewisserte sich Rashid, als traute er seinen Ohren nicht. »Ihr müsst den Verstand verloren haben!«
    »Leider vergeblich«, sagte Lucia. »Den Stein haben wir trotzdem nicht gefunden.«
    Rashid schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich werde mit Vater reden. Er darf doch nicht abwarten wie eine Maus in der Falle, bis die Katze ihn frisst! Handeln muss er. Und ich werde ihn dabei unterstützen – zusammen mit meinen Freunden. Die Söhne Allahs halten zusammen. Das haben wir uns geschworen.«
    »Aber was willst du tun, Rashid?«, fragte Nuri ängstlich.
    »Das lass meine Sorge sein! Wie kommst du jetzt ungesehen zurück ins Haus?«
    »Djamila erwartet uns«, sagte Lucia leise.
    »Ach, sie steckt mit euch unter einer

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