Die Nacht von Granada
Decke?« Er klang alles andere als erfreut. »Dann verschone ab jetzt meine Schwester mit deinen lebensgefährlichen Verrücktheiten, Lucia! Kannst du mir wenigstens das versprechen?«
Wie sehr liebte sie es, wenn er ihren Namen weich und leise aussprach, doch jetzt hatte er ihn regelrecht ausgespuckt.
Ihr Körper war plötzlich hart und schwer, jeder Schritt eine Anstrengung. Lucia fühlte sich elend – vor Sorge, Sehnsucht und vor Ärger. Jetzt wäre es leichter gewesen, Rashid zu hassen. Doch sosehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht.
»Das soll meine Freundin selbst entscheiden«, sagte sie, ohne ihn auch nur noch eines einzigen Blickes zu würdigen. Sie klopfte an die Tür, die sofort aufging, als hätte Djamila seit Stunden auf diesen leisen Laut gelauert. »Komm mit, Nuri, wir wollen endlich schlafen.«
7
D rei Tage später droschen Faustschläge gegen das Holz, als wollte jemand mit Gewalt die Tür einschlagen. Mit einem Satz fuhr Fuego von dem Kissen auf, auf dem er gerade noch friedlich eingeringelt geschlummert hatte, und flüchtete. Lucia, geweckt aus wirren Träumen, zog die gefütterte Winterdecke höher, die ihr Djamila gestern Abend mit sanftem Druck aufgenötigt hatte. Zu ihrem Erstaunen blickte sie in das aschfahle Gesicht der jungen Maurin, das sich über sie neigte.
»Sie sind da, Lucia«, flüsterte Djamila. »Jetzt kommen sie deinen Vater holen!«
»Wer kommt ihn holen?«, fragte Lucia, noch immer schlaftrunken.
»Lucero, der Inquisitor – und jener widerliche Ortíz, der deinem Vater und Kamal das ganze Elend eingebrockt hat.«
»Ortíz ist bei Vater? Dann muss ich auch zu ihm!«
»Dazu ist es jetzt zu spät.« Mit erstaunlicher Kraft drückte die zartgliedrige Djamila sie zurück ins Bett, so energisch, dass die silbernen Reifen an ihren Gelenken klimperten. »Rotkappen haben unser Haus umstellt. Und drüben bei Kamal und Saida sind sie auch schon. Was soll nur aus uns werden? Ich hab solche Angst!«
»Ich kann Vater doch jetzt nicht im Stich lassen!« Lucia stieß die junge Maurin zur Seite. »Zum Angsthaben ist später noch Zeit genug.«
Sie angelte nach ihrem Kleid, das sie gestern Abend nachlässig über die Truhe geworfen hatte, und versuchte, mit fliegenden Fingern die widerspenstigen Ösen des Mieders zu schließen, was ihr erst nach einer Weile gelang. Danach fuhr sie sich mit beiden Händen durch die Locken, schlüpfte barfuß in ihre Schuhe und lief hinunter.
Die Tür, die von den Wohnräumen zur Werkstatt führte, stand nur angelehnt, was Lucia willkommene Gelegenheit zum Atemholen gab.
»Eure Waage ist falsch geeicht, Goldschmied. Sagt mir, wie lange betrügt Ihr Eure Kunden schon?«, fragte eine harte Männerstimme, der anzuhören war, dass sie gewohnt war, zu befehlen. »Und bleibt gefälligst bei der Wahrheit!«
»Das will ich gerne tun! Denn ich habe noch nie einen Kunden betrogen«, hörte sie den Vater in ruhigem Ton antworten. »Erst im Spätsommer hat der Eichmeister die Waage geprüft und für gut befunden. Wenn Ihr also freundlicherweise den kleinen Kiesel wieder aus der Schale nehmen wollt, den Ihr vorhin unter die Affenbrotsamen gelegt habt, könntet Ihr Euch davon auch mit eigenen Augen überzeugen.«
Eine Weile blieb es still, aber Lucias Herz jubelte.
Offenbar war ihr Vater entschlossen, zu kämpfen. Sie würde alles tun, um ihm beizustehen.
»Ihr leistet Euch ein gefährlich lockeres Mundwerk, Goldschmied.« Die Stimme war noch um eine Spur frostiger geworden. »Lasst uns sehen, ob das auch so bleiben wird. Zeigt mir nun meinen Ring!«
»Das kann ich leider nicht, Exzellenz«, sagte Antonio nach einer bangen Pause.
»Warum nicht?«
»Er hat mehrmals behauptet, der Ring sei noch nicht fertig, und mich damit immer wieder aufs Neue hingehalten«, schaltete sich nun Gaspar ein. »Allerdings mit immer fragwürdigeren Argumenten …«
Lucia wurde glühend heiß, und sie wünschte sich inständig, Nuri stünde neben ihr.
Warum nur war ihr Plan nicht aufgegangen, den Stein in seinem Haus zu finden und an sich zu nehmen? Dann könnte sie jetzt triumphierend hinübergehen, das Beweisstück in der Hand …
Versehentlich musste sie sich zu stark angelehnt haben, denn die Tür schwang plötzlich auf.
Jetzt schützte sie nichts mehr vor den Blicken der Männer in der Werkstatt. Gaspar starrte sie so verzehrend an wie beim letzten Mal, während der andere sie lediglich abschätzig musterte und dann erneut ihren Vater ins Visier nahm.
»Du
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