Die Nacht von Granada
Judenviertel, das niemals lange still sitzen konnte und jede ihrer temperamentvollen Ausführungen mit nicht minder lebhaften Gesten begleitet hatte. Bis heute war es für ihn ein Wunder geblieben, dass sie sich damals nach wenigen Wochen für ihn entschieden hatte, obwohl der reiche Goldschmied Gaspar ihr doch bereits eine ganze verlockende Welt zu Füßen gelegt hatte …
Der jäh aufflammende Schmerz holte ihn unsanft in die Gegenwart zurück. Sein Kiefer fühlte sich an, als würde er von einer eisernen Zwinge unbarmherzig zusammengedrückt. Er schüttelte den Kopf, um sich davon zu befreien, was sein Gegenüber offenbar falsch verstanden hatte, denn er langte unter widerlichem Johlen gleich zum zweiten Mal kräftig zu.
Antonio verlor jeglichen Halt und sackte kraftlos auf dem Tisch zusammen. Doch schon nach wenigen Augenblicken spürte er unbändige Wut in sich aufsteigen. Wer war er eigentlich, um sich ständig von anderen niedermachen zu lassen?
Gaspar hatte ihn betrogen und bestohlen, der Inquisitor benützte ihn für allzu offensichtliche Schachzüge, ja nicht einmal Djamila, zu der er stets gehalten hatte und für die er nun auch die Schläge einsteckte, schien noch auf seine Nähe erpicht, sondern verbarg sich vor ihm in den dunkelsten Kammern des Hauses, als leide er plötzlich an einer ansteckenden Krankheit.
Und Lucia?
Der Gedanke an seine Tochter brachte ihn wieder auf die Beine.
Er hatte Lucia enttäuscht, bitter enttäuscht sogar, das verriet ihm ihr rastloser Blick, ebenso wie die unruhigen Finger, die sie mühsam vor ihm zu verbergen suchte. Sie hatte einen Helden als Vater erwartet, einen, der mutig kämpfen konnte und nicht in Selbstmitleid ertrank. Jemanden, der es selbst mit einem übermächtigen Gegner tapfer aufnahm und nicht aufgab, auch wenn die Welt um ihn herum im Chaos zu versinken drohte.
Doch dieser Mann war er leider nicht. Und wünschte sich gleichzeitig mit jeder Faser seines Herzens, es zu sein.
Vielleicht schnellte deswegen jetzt Antonios Faust nach vorn und traf den, der ihn beschimpft hatte, am Mund.
Dessen dünne Haut über der Lippe platzte auf. Hellrotes Blut rann ihm über das Kinn.
»Das wirst du mir büßen!«, schrie der Verletzte und schaute sich hilfesuchend um. »He, worauf wartet ihr noch?«, rief er den andern Männern zu, die vor ihren Bechern sitzen geblieben waren und sich bislang nur auf Glotzen beschränkt hatten. »Muss ich mir das vielleicht von einem gefallen lassen, der am liebsten Djellaba trägt, Hammelfleisch frisst und Nacht für Nacht heimlich zu seiner maurischen Hure schleicht – der geilen Djamila?«
Inzwischen wogte Wut wie ein wildes rotes Meer in Antonios Schädel.
»Sag so etwas niemals wieder!«, schrie er und die Adern an seinem Hals schwollen dabei gefährlich an. »Ein Dreckskerl wie du ist es nicht wert, ihren Namen in den Mund zu nehmen!«
Abermals holte er aus, um der Faust des anderen zuvorzukommen, doch dieses Mal war er zu langsam gewesen. Ein Hieb gegen den Brustkorb raubte ihm alle Luft. Der Goldschmied gab ein pfeifendes Röcheln von sich und wurde grünlich im Gesicht.
In diesem Augenblick stürmte ein kleiner Trupp Rotkappen in die gut gefüllte Schenke.
»Wo Antonio Álvarez?«, schrie einer von ihnen in schlechtem Kastilisch.
»Dort unten. Suhlt sich wie eine Sau im Dreck – genau dort, wo er auch hingehört.« Die Stimme von Antonios Widersacher triefte vor Genugtuung. »Er hat mich geschlagen und mein Gesicht übel zerbeult. Grundlos. Nehmt ihn am besten …«
Ein wütender Hieb in die Rippen brachte ihn zum Verstummen.
Zwei Söldner zerrten Antonio nach oben, rissen seine Hände auf den Rücken und fesselten ihn.
»Im Namen des Inquisitors«, sagte der Anführer und kämpfte dabei hörbar mit dem schwierigen Wort. »Ihr seid verhaftet.« Sein Mund verzog sich verächtlich. »In der ganzen Stadt haben wir dich suchen müssen«, zischte er. »Das wirst du uns büßen.«
»Aber warum?«, rief Antonio, der sich plötzlich stocknüchtern fühlte. »Ich hab doch nichts Böses getan!«
Der Söldner trat so nah zu ihm, dass er seinen fauligen Atem riechen konnte.
»Deine Werkstatt«, sagte er halblaut. »Dein Maurenfreund. Und nun dein Kopf!«
Mit einem Nicken befahl er die anderen zu sich. »Abführen!«, rief er. »Lucero hasst es, zu warten!«
In wilder Verzweiflung wandte Antonio sich um, bis sein Blick auf einen Nachbar fiel, der in seinen Becher starrte, als erhoffte er sich von dort Erlösung.
»Meine
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