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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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so etwas sucht.«
    »Ich kann nichts sehen«, flüstere ich Wolfboy zu.
    »He, Sebastien? Gibt es hier vielleicht Licht?«
    Ein übertriebener Seufzer ertönt, gefolgt von hallenden Schritten. Mit einem Feuerzeug zündet Sebastien die Kerzen eines großen Kronleuchters an, seine Spitzenmanschetten flattern gefährlich nah an den Flammen.Wolfboy hilft ihm mit seinem eigenen Feuerzeug. Schon bald flackert das Kerzenlicht durch den Raum.
    Er ist größer, als ich dachte. Dutzende Fahrräder hängen von der Decke herab, in den Regalen stehen lauter Dosen ohne Etikett. Da ist ein Matratzenstapel, und an der Wand hängt eine beeindruckende Sammlung von Samurai-Schwertern und Macheten. Überall stehen Kisten mit den unterschiedlichsten Sachen herum: Turnschuhe, Feuerwerkskörper, zitronenförmige Dinger, die aussehen wie Handgranaten. Wenn hier schon Waffen offen rumliegen, frage ich mich, was Sebastien wohl mit ›Spezialbedarf‹ meint.
    »Nehmen Sie Kreditkarten?«
    »Das ist hier kein Flohmarkt, Schätzchen«, antwortet Sebastien. »Natürlich bin ich auf Kartenzahlung eingerichtet. Du befindest dich hier auf dem größten Schwarzmarkt in Shyness. Ich mache mehr Umsatz als alle anderen sogenannten Märkte zusammen.«
    Wolfboy schlendert zu einem Regal hinüber, nimmt eine Dose heraus und schnuppert misstrauisch daran. »Gary sagte, Sie haben Musikinstrumente.«
    »In der Ecke da drüben, links von dir.«
    Sebastien quetscht sich auf einen antiken Stuhl an einem Schreibtisch und knipst eine Lampe an. Demonstrativ nimmt er sich ein Buch und ignoriert uns fürs Weitere. Wolfboy schlendert in die Musikecke.
    Ich bücke mich, um durch eins der ebenerdigen Fenster zu spähen. Dahinter befindet sich ein langer, hell erleuchteter Raum mit Streichholzmännchen. Die Proportionen sind verzerrt, als würde ich in ein Diorama schauen. Ich blinzele. Erst als ich ein leises Rumpelnhöre und etwas auf mich zurollt, wird mir klar, dass ich von der Rückseite auf die Bowlingbahn schaue.
    Ich gehe zu Wolfboy hinüber, der so ehrfurchtsvoll auf eine Wand mit Gitarren starrt, dass ich den Moment nicht zerstören will.
    »Oh, Mann.« Er pfeift durch die Zähne. »Er hat eine Les Paul Custom.«
    »Eine was?«
    Für mich sehen die Gitarren alle gleich aus, nur in Form und Farbe unterscheiden sie sich leicht. Wolfboy beugt sich vor und streichelt eine schwarze Gitarre, als wäre sie ein Vollblutpferd. Sie schwankt dabei leicht an ihrem Haken. Kann man auf eine Gitarre eifersüchtig sein?
    »Eine 1957er Gibson Les Paul Custom. Ist sie nicht eine Schönheit?«
    Für mich sieht sie bloß aus wie eine Gitarre. Eine schwarze Gitarre mit Saiten und den Dingern, von denen die Saiten gerade gehalten werden, und diesen knubbeligen Teilen am Hals. Ich beobachte Wolfboy, wie er die Gitarre anstiert, das Verlangen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Ein ziemlich hinreißender Anblick, auch wenn es mir lieber wäre, er würde mich so anschauen.
    »Na, dann nehmen wir die doch. Wir sind ja hier, um Geld auszugeben, oder?«
    »Ich hab schon eine Gitarre.«
    »Ja, aber nicht die da. Wie viel kostet so ein Ding?«
    »Nein.« Wolfboy wendet sich ab. »So eine Gitarre hab ich nicht verdient. Dafür spiele ich nicht gut genug.«
    »Das ist doch albern …«, setze ich an, aber Wolfboy hebt die Hand.
    »Nicht bei jeder Gelegenheit widersprechen, junge Dame.«
    Grinsend über den Lehrertonfall schlage ich seine Hand weg. Dann gehe ich an der Wand entlang und streiche über die Gitarren, an denen ich vorbeikomme. »Vielleicht kauf ich mir eine und trete deiner Band bei.«
    »Kannst du Gitarre spielen?«
    »Darauf kommt’s doch nicht an, oder? Ich hab die richtige Ausstrahlung.«
    Vor einer Sammlung von Ukulelen bleibe ich stehen. Da ist ein richtig krasses Teil in Knallpink für nur fünfzig Dollar. Ich nehme sie von der Wand und klimpere experimentell darauf herum. Wolfboy verschränkt die Arme und lehnt sich erwartungsvoll an eine Kiste mit Kopfhörern. Ich räuspere mich.
    Ich kann keinen einzigen Akkord, also sind die Geräusche, die ich produziere, zugegebenermaßen schaurig. Aber Begeisterung ist auch etwas wert, oder? Während ich zu meinem dissonanten Geschrummel singe, denke ich mir den Text aus.
    Oh, I’m so lonely in the night
I’m so hairy
There’s no light
I got the Shyness blues
I wear high-heeled shoes
The moon shines so bright
I’m so howly in the night
    Und jetzt das große Finale. Aus Leibeskräften bearbeite ich die Ukulele.
    Pants! So!

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