Die Nacht von Shyness
irgendwas Ultracooles. Im Foyer der Bowlingbahn ist es dunkel, obwohl die eine Seite der Tür im Wind auf und zu schlägt. »Bist du dir sicher, dass der Laden geöffnet ist? Wenn wir schon so was Stinknormales unternehmen müssen, würde ich lieber auf die Eisbahn gehen.«
»Wart doch erst mal ab.« Wolfboy sieht mich genervt an. Immer wieder bekomme ich zu hören, dass ich zu viel quatsche. Ich schwöre, dass ich jetzt ein paar Minuten lang die Klappe halten werde.
Wir gehen nicht zum Haupteingang, sondern zu der kleinen Gasse neben dem Gebäude. Ein großes, buntes Graffiti bedeckt die ganze Seitenwand. KIDDS GREIFEN AN. Da hat wohl jemand die Rechtschreibprüfung vergessen.
Unsere Schritte hallen in der stillen Gasse. Wolfboy guckt immer wieder zu den Dächern links und rechts, als ob er damit rechnet, dass sich jeden Moment ein maskierter Angreifer an einem Seil herabschwingt. Ich lege meine Hand in seine und er drückt sie beruhigend.
Die Gasse verbreitert sich zu einem Parkplatz, der von einer Reihe unbeleuchteter Gebäude mit staksigen Feuerleitern begrenzt ist. Eine einzelne schwache Straßenlaterne beleuchtet den Platz. Ich rechne jeden Moment damit, dass Steppenläufer über den Platz rollen, so verlassen ist es hier. Ich schlucke. Aber ich wollte ja was Zwielichtiges.
»Hier muss es irgendwo sein.«
Hand in Hand überqueren wir den Parkplatz. Die letzte Hand, die ich gehalten habe, war vermutlich die meiner Mutter, bevor ich in das Alter kam, in dem es mir peinlich wurde. Meine Finger brennen und ich hoffe, dass meine Hand nicht feucht wird.
»Du weißt gar nicht, wo wir hinmüssen?«
»Doch, weiß ich. Der alte Typ an der Bar, der uns die Drinks spendiert hat, wollte mich damit beeindrucken, wie gut er sich in der Underground-Szene auskennt. Er hat mir von dem Laden hier erzählt und den Weg beschrieben. Wir müssen eine grüne Tür finden.«
»Die da zum Beispiel?« Ich zeige auf die Hinterseitedes Gebäudes. Eine grüne Tür neben einem Berg glänzender Müllsäcke.
Wolfboy lässt meine Hand los und drückt auf die Klingel. Das handgeschriebene Schild unter dem Klingelknopf ist vom Regen verschmiert. Nichts passiert. Wolfboy klingelt noch einmal. Hinter der Tür sind jetzt schlurfende Schritte zu hören.
»Wir wollen zum Markt!«, ruft Wolfboy und lehnt sich nah an die Tür. Über uns entdecke ich eine Überwachungskamera, und ich gebe mir alle Mühe, anständig auszusehen. Oder sollte ich lieber versuchen, möglichst zwielichtig rüberzukommen?
Eine gedämpfte Antwort, kurz angebunden: »Kennwort.«
Wolfboy flüstert der Tür das Kennwort zu, dabei küsst er fast die abblätternde Farbe.
»Verstehe nix.«
Wolfboy verdreht die Augen. »PRINZ. DER. DUNKELHEIT«, wiederholt er lauter.
Ich pruste los.
Mit einem Klicken öffnet sich die Tür nach innen. Wir schieben uns in einen engen Flur. Vor uns steht ein großer dünner Mann, der angezogen ist wie eine gigantische Fledermaus zu einer Hochzeit. Wie ein Axtmörder sieht er nicht aus, aber man kann nie wissen.
»Das Kenn wort besteht aus drei Wörtern«, sage ich, um meine Nervosität zu verbergen.
Der Mann wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Seine Augen sind stärker geschminkt als meine und sein Alter lässt sich unmöglich schätzen. Seine Haut ist elfenbeinfarben, wie auch seine Haare. Der Betonflurist kalt und schmucklos. Wir befinden uns in dem Teil des Gebäudes, der anscheinend verborgen bleiben soll.
»Wer schickt euch?«
»Gary«, antwortet Wolfboy.
Das Gesicht des Mannes ist jetzt schon etwas weniger verkniffen. Gary hat bei ihm offenbar einen Stein im Brett.
»Ich bin Sebastien.« Er bedeutet uns mit einer Fingerbewegung, ihm durch den Flur zu folgen. Mit einem Schlüssel, den er um den Hals trägt, schließt er die Tür am Ende des Flurs auf. Er lässt uns vorgehen, dann macht er die Tür hinter uns wieder zu.
Meine Augen gewöhnen sich nur mit Mühe an die Finsternis. Ich erkenne links eine Regalwand und etwas, das von der Decke herabhängt. Nur durch neun oder zehn kleine ebenerdige Fenster dringt ein wenig Licht.
Sebastiens körperlose Stimme ist so trocken und papieren wie seine Haut. »Willkommen auf dem Markt. Ihr werdet sehen, dass ich eine große Bandbreite an verbotenen und nicht verbotenen Waren auf Lager habe. Sagt Bescheid, wenn ihr Spezialbedarf habt, dann begleite ich euch in die entsprechende Abteilung. Ich führe keine Süßwaren, aber ich habe einen Partner, den ich euch empfehlen kann, falls ihr
Weitere Kostenlose Bücher