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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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du eine Freundin?«
    »Was?«
    »Wenn ich heute Nacht mit dir rumziehe, kann es dann passieren, dass ich eine geklatscht kriege?«
    Ich schüttele den Kopf. Ich weiß nicht, ob ich es als Beleidigung oder als Kompliment nehmen soll.
    »Okay.« Wildgirl steht auf. Irgendwas ist zwischen uns geklärt. »Ich werd dich übrigens nicht Jethro nennen. Für mich bist du Wolfboy.«
    Das geht für mich in Ordnung. Ich werde nicht gern Jethro genannt. So hieß ich vor der Dunkelheit, bevor alles anders wurde. So nennen mich meine Eltern und andere Leute, die immer noch hinterherhinken.
    Es hat keinen Sinn sich zu wünschen, dass das Leben wieder so sein könnte, wie es einmal war.

sieben
    Wir gehen in zügigem Tempo durch die Seitenstraßen von Shyness, jedoch nicht so schnell, dass ich nicht halb erfrieren würde. Ich ziehe die Strickjacke fester um meinen Körper. Mum würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich ohne dicke Jacke losgegangen bin. Erstaunlich, dass sie sich wegen solcher Kleinigkeiten Sorgen macht, aber die großen Probleme gar nicht wahrnimmt.
    Wie gut, dass ich Wolfboy gefunden habe. Ich hatte mehr Angst um ihn als davor, allein durch die unheimlichen Straßen zu laufen. Es wundert mich nicht, dass er eine heftige Geschichte hinter sich hat. Sein Geheul in dem Pub ging mir durch Mark und Bein. Ich musste an alle trostlosen Sachen denken, die ich je gesehen habe, an ein Spielzeug zum Beispiel, das ein Kind auf dem Gehweg verloren hat und das dann durch den Dreck getreten wird.
    Verstohlen schaue ich zu ihm rüber. Er guckt stur geradeaus, während wir im Gleichschritt marschieren. Sein hübsches Gesicht wirkt wieder ganz ruhig. Kaum vorstellbar, dass das derselbe Junge ist, der vor ein paar Minuten allein auf dem verlassenen Grundstück gesessen und mich angeschaut hat wie ein Ertrinkender. Derselbe Junge, der ausgeflippt ist und einen Tisch umgetretenhat. Tja, Familiengeschichten können einen so weit treiben. Ich bin die Königin der Wutausbrüche. Wenn ich so groß wäre wie Wolfboy, sähe ich bestimmt genauso furchterregend aus. Ich komme mir vor, als hätten wir eine Prüfung bestanden, die diese Nacht uns gestellt hat. Ich wüsste nicht, was jetzt noch schiefgehen sollte.
    Bei oberflächlicher Betrachtung unterscheidet Shyness sich gar nicht so sehr von Plexus. Die schmalen Häuser stehen dicht beieinander. In den Vorgärten wachsen Sofas, Fahrräder und Beton statt Rosen. Der heruntergekommene Komfort ist mir vertraut.
    »Wir gehen doch zu einem Geldautomaten, oder?«
    »Nicht nötig. Ich hab genug Geld für die ganze Nacht. Für ein paar Stunden, meine ich.«
    »Darum geht’s doch nicht. Ich hab diese Karte und ich kann’s kaum erwarten, Geld auf den Kopf zu hauen.«
    »Wie willst du am Automaten was ziehen, ohne die Geheimzahl zu kennen?«
    Ich schlage mir an den Kopf. Die Geheimzahl. Ich muss total neben der Spur sein. Mein Gesicht brennt, weil er jetzt weiß, was für eine Vollidiotin ich bin.
    »Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass alles hier so verwirrend ist und dass ich normalerweise nicht so ein komisches Zeug trinke wie vorhin im Raven’s Wing und …«
    »Vergiss es.« Wolfboy wischt meine Verlegenheit mit einer lässigen Handbewegung beiseite. »Ich hab eine Idee, wo wir ein bisschen Plastik ausgeben können.«
    »Wo denn?«
    »An einem total geheimen Ort.« Wolfboy zieht die Augenbrauen hoch. Irgendwie scheint mein Hang zumDrama auf ihn abzufärben. Es macht mir zwar nichts aus, dass er Probleme hat – es gibt nichts Schlimmeres als Leute, bei denen alles Friede, Freude, Eierkuchen ist –, aber ich bin froh, dass seine Stimmung nicht mehr ganz so düster ist.
    Nach und nach verwandelt sich die Wohngegend in eine Art Gewerbegebiet mit riesigen Gebäuden. Wir kommen an einer Autowerkstatt vorbei, einem Obstgroßhandel und einem gespenstisch leeren Busdepot. Die breitere Straße und die größeren Lücken zwischen den Gebäuden gewähren dem Wind Einlass, Staub und Müll wehen uns um die Beine. In Shyness muss es zahllose Opiumhöhlen geben, illegale Spielkasinos und Diamanthändler und … mehr Orte, an denen man schmutziges Geld ausgeben kann, fallen mir gerade nicht ein. Wenn wir in der City wären, ja, da würden mir hunderttausend Möglichkeiten einfallen.
    Vor einem schlichten Backsteingebäude bleibt Wolfboy stehen. Auf der Leuchtreklame ist ein Kegel abgebildet.
    »Wir gehen bowlen?« Ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen. Ich dachte, wir machen

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