Die Nacht von Shyness
und deshalb habe ich beschlossen, den Gabelstapler-Führerschein zu machen.«
Mein Gesichtsausdruck muss unbeschreiblich sein, denn Wildgirl prustet los und schlägt sich dabei auf die Schenkel. Dann lache ich auch. Ich frage mich, ob die hier irgendwas in den Nebel getan haben, ich bin halb weggetreten.
Wildgirl tippt mir auf den Arm. »Hast du’s Thom und Paul schon erzählt?«
»Was?«
»Dass ich mit meinem geilen Rock-Ukulele-Lick bei euch mitmache.«
Sie ist so witzig, ich fasse es nicht. Ich hab den Jackpot geknackt. Wenn ich ein anderer Mensch wäre, wenn mein Leben nicht so kompliziert wäre, wenn ich ihrmehr zu bieten hätte als nur Traurigkeit, wenn ich nicht so müde vom Gewicht der ganzen Welt wäre, das auf mir lastet – dann würde ich genau in diesem Moment versuchen sie zu küssen.
vierzehn
Ich bin mir ziemlich sicher, dass genau jetzt der Moment ist, als Wolfboy plötzlich zurückweicht, sich aufrichtet und fragt: »Willst du noch was zu trinken?«
Ich versuche, nicht enttäuscht auszusehen. Bei dem Träumer-Nebel und der Waa-waa-Musik scheinen meine Antennen nicht richtig zu funktionieren.
Ich hätte schwören können, dass einer von uns drauf und dran war, sich die entscheidenden Zentimeter vorzubeugen. »Klar.« Ich grabe in meiner Tasche nach der Gold-Karte. »Missbrauchen wir das Teil hier noch mal.«
»Was möchtest du?«
Selbst in diesem Licht schimmert die Karte verheißungsvoll. Mit der Hilfe von dem Baby hier werde ich ordentlich Kilometer zurücklegen.
»Dasselbe wie du. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass sie die Karte nicht gefunden haben. Wir sind echt glimpflich davongekommen.«
Wolfboy runzelt die Stirn. »So glimpflich nun auch wieder nicht.«
»Wie meinst du das?«
Er zuckt die Achseln und starrt auf die Träumer, wie sie auf der Stelle marschieren. Denen müsste echt mal jemand zeigen, wie man sich locker macht.
»Sie haben mir mein Feuerzeug geklaut. Haben mir in die Tasche gefasst, ohne dass ich es gemerkt hab.«
»Das gibt’s doch nicht! Die sind doch gar nicht in deine Nähe gekommen.«
Glaube ich jedenfalls. Ich erinnere mich nur noch verschwommen an den Überfall. Während das Koboldäffchen mich befummelt hat, kann alles Mögliche passiert sein. Ich weiß nur noch, dass Wolfboy in der Bowling-Gasse Sebastien geholfen hat, seinen dämlichen Kronleuchter anzuzünden. Da hatte er das Feuerzeug noch.
»Hast du es auf dem Schwarzmarkt liegen lassen?«
»Nein. Als die Kidds uns abgezogen haben, hatte ich es noch, das weiß ich ganz sicher. Und jetzt ist es weg.«
Er wirkt sauer, dabei hat er den ganzen Abend keine Zigarette geraucht – jedenfalls nicht, während ich dabei war. Jetzt kommt es mir unmöglich vor, dass ich ihn eben noch zum Lachen gebracht habe. Vielleicht bin ich zu witzig. Vielleicht hält er mich für einen Clown. Clowns sind nicht sexy.
»Ein schönes Feuerzeug oder ein Billigteil?«
»Ein schönes. Silber. Mit Gravur.«
»Haben sie sonst noch was genommen?«
»Nein. Nur das.«
Wenigstens haben sie nicht sein Portemonnaie gekriegt oder sein Handy.
»Ich hab dich heute Abend gar nicht rauchen sehen.«
»Ich rauche nicht.«
»Wozu hast du dann ein Feuerzeug?«
»Keine Ahnung, ich hab es einfach immer bei mir. Es ist von meinem Bruder.«
Ich setze mich auf und klopfe ihm ein paar Mal aufsKnie, bis er sich zu mir dreht. »Und das sagst du erst jetzt? Warum sind wir vor dem Gnom weggelaufen? Los, wir gehen hin und verlangen es zurück!«
»Reg dich ab. Es ist nur ein Feuerzeug.«
Vielleicht könnte Wolfboy mich davon überzeugen, dass es ihm nichts ausmacht, wenn ich das mit seinem Bruder nicht wüsste und wenn ich seinen leeren, ausdruckslosen Blick nicht gesehen hätte.
»Es ist NICHT …« Jetzt muss ich aufpassen. Er hat ja keine Ahnung, dass ich weiß, was mit Gram passiert ist und was Wolfboy wirklich gemeint hat, als er So glimpflich nun auch wieder nicht sagte. »Es ist nicht nur das Feuerzeug. Es geht ums Prinzip.«
»Du redest wie mein Vater.«
»Ich finde, wir sollten versuchen es zurückzuholen.«
»Wir können uns noch nicht mal sicher sein, dass die Kidds es geklaut haben.« Wolfboy weicht meinem Blick aus. Er weiß genauso gut wie ich, dass sie es waren.
»O doch. Und wir wissen sogar, wer von ihnen es war. Bist du nicht stocksauer?«
Ich versuche nicht länger, ruhig zu bleiben. Wolfboy weiß hoffentlich, dass ich nicht auf ihn wütend bin. Andererseits – so, wie er die Stirn runzelt, offenbar nicht so
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