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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auch er hat nicht rausgekriegt, weshalb Peter die Schule abgebrochen hatte und wo er abgeblieben war.
    Jetzt weiß ich es. Er hat sich den Kidds angeschlossen.
    »Was hat er dir getan?«, frage ich die Anführerin. Ich kann nicht glauben, dass der Junge, der da auf dem Boden rumkriecht, derselbe ist, mit dem ich zur Schule gegangen bin. Er ist nur Haut und Knochen.
    »Schiffsjunge hat was Schlimmes gemacht. Und jetzt will er es wieder gutmachen.«
    »Was hast du ihm angetan?«
    »Was ich ihm angetan hab?« Die Anführerin erhebt die Stimme. »Ich hab ihn gerettet. Frag lieber, was sie ihm angetan haben.«
    Wildgirl stellt sich zwischen mich und die Anführerin. »Unsere Räder können wir euch nicht geben. Die brauchen wir, um abzuhauen. Sucht euch was anderes aus!«
    Jetzt ist die Anführerin beleidigt. »Das mit dem Kuss war sowieso nur ein Witz«, sagt sie zu Wildgirl. »Ich könnte mir bei dir ja was einfangen, irgendwas von draußen. Sonnenstich, Sonnenbrand oder so.«
    »Also, für mich war’s kein Witz«, entgegnet Wildgirl. Einerseits könnte ich sie dafür erwürgen, dass sie darauf herumreitet, andererseits ist sie unbestreitbar diplomatischer als ich. »Aber haltet uns nicht länger auf. Wir haben es ziemlich eilig. Was wollt ihr?«
    Jetzt macht Augenklappe den Mund auf. Sie betrachtet immer noch unsere Räder. »Ich will das da. Das rote Teil. Das will ich haben.«
    Wir schauen alle auf Wildgirls rote Tasche am Lenker. Dann gucke ich zu Wildgirl.
    Sie zuckt übertrieben lässig die Schultern. »Das alte Ding? Klar, also, wenn euch die ganzen Flecken, der kaputte Reißverschluss und der Muffgeruch nicht stören. Warum nicht?«
    Augenklappe sieht die Anführerin flehend an. Wildgirl neben mir hält den Atem an.
    Die Anführerin seufzt. »Wir können sie ja nehmen, um Pilze darin zu tragen.«
    Augenklappe hüpft auf und ab und klatscht in die Hände. Wildgirl atmet heftig aus. Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird, geht sie zu ihrem Rad, zieht die Tasche vom Lenker, stellt sich dann hinter mich und macht meinen Rucksack auf. Die Riemen ziehen an meinen Schultern, als sie den Inhalt ihrer Tasche in den Rucksack packt. Die Ukulele passt nicht rein, deshalb schlingt sie das Ding wieder über die Schulter. Dann reicht sie die Tasche der Anführerin, die sie an Augenklappe weitergibt. Die drückt sie an ihre Brust. Gut. Jetzt können wir endlich weiter.
    »Tut mir leid«, sagt die Anführerin. »Aber so bestreiten wir unseren Lebensunterhalt.«
    Wildgirl starrt Augenklappe giftig an. Peter Kouros ist jetzt aufgestanden, halb von uns abgewandt, als könnte er es nicht erwarten zu verschwinden.
    Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter. Direkt unter seiner Haut spüre ich die scharfe Kante eines Schulterblatts.»Peter«, sage ich leise. »Kennst du mich noch?« Ich bücke mich und versuche seinen Blick einzufangen, aber er ist stocksteif. Ich warte noch eine Weile, dann gebe ich es auf. Ich weiß nicht, was ich mir erhofft habe. Wir hätten ihn sowieso nicht mit nach Orphanville nehmen können. Ich hebe mein Rad auf und nicke Wildgirl zu.
    »Tut mir leid«, sagt die Anführerin noch mal.
    Wildgirl geht zu ihrem Rad, doch im letzten Moment flitzt sie zu der Anführerin und küsst sie fest auf den Mund. Die Anführerin legt den Kopf zurück, der Hut fällt herunter. Es ist eine richtige Hollywood-Szene. Ich wende den Blick ab. Als ich wieder hinsehe, hebt die Anführerin ihren Hut auf und winkt Wildgirl mit einem breiten Grinsen nach.
    Ohne sich umzuschauen, stolziert Wildgirl zu ihrem Fahrrad. Als sie in der Kabine gesagt hat, dass sie Herzen stiehlt, war das kein Scherz.
    Die Anführerin schlägt die Hacken zusammen. »Das Märchen ist aus, wir gehen nach Haus.« Mit einer übertriebenen Geste winkt sie ihre Truppe herbei und die anderen folgen ihr.
    Erst als wir unsere Räder den steilen Hügel hochschieben, der nach Orphanville führt, rede ich wieder. »Warum hast du das gemacht?«, frage ich wie ein Trottel.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst«, sagt Wildgirl. »Warum mache ich überhaupt irgendwas?«
    Sie keucht. Ich könnte ihr eine Hand auf den Rücken legen und ihr den steilen Hang hochhelfen, mache ich aber nicht.
    »Du meinst, warum es dir Spaß macht, mit den Gefühlen anderer zu spielen?«, sage ich.
    »Hey, das Mädchen hat mich heute zum ersten Mal gesehen. Sie wird schon drüber wegkommen. Bist du etwa eifersüchtig?«
    »Nein. Warum sollte ich auf eine Verrückte eifersüchtig sein? Die

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