Die Nacht von Sinos
hinter der ›Seytan‹ auftauchten. Wir waren früher dran als geplant, aber die Gefahr war noch nicht vorüber. Es konnte durchaus sein, daß der Posten in Pavlos Zimmer oder die Leiche in der Besenkammer erst um sechs Uhr morgens gefunden wurde, wenn man Pavlos Posten ablöste. Um vier Uhr konnten wir wieder in Kyros sein. Andererseits darf man sich auf so etwas nicht verlassen.
Ich ließ mich vom Aquamobil bis ans Schiff heranbringen und rief dann leise. Einen Augenblick später erschien Melos an der Reling.
»Sind Sie das, Savage, haben Sie ihn?«
»Mit knapper Not«, antwortete ich. »Lassen Sie die Leiter herunter, bevor er uns stirbt.«
Ich hatte ihn bereits losgebunden, und Ciasim half mir. Melos beugte sich über die Reling, packte den Jungen bei den Schultern und hob ihn hoch. Ich folgte ihm und überließ es Ciasim, zusammen mit seinen beiden Söhnen, die ihn bereits aufgeregt begrüßten, alles andere an Bord zu holen.
Melos legte Pavlo in eine der beiden Kojen und öffnete den Reißverschluß seines Taucheranzugs. Ich zog meinen ebenfalls aus und dafür eine Hose und einen dicken Pullover an.
Das Gesicht des Jungen hatte kaum noch Farbe. Er hielt die Augen geschlossen. Melos sagte: »Er wird sterben, diesen Ausdruck kenne ich.«
»Das möchte ich verhindern«, entgegnete ich. »Ich habe heute nacht einen Mann getötet, um ihn herauszuholen.«
Er schien mich nicht zu verstehen, oder vielleicht war ihm die Sache unwichtig. Er fragte nur: »Hat er Ihnen etwas gesagt?«
Bevor ich antworten konnte, hörte ich Schritte, und Abu rief aufgeregt: »Vater sagt, Sie sollen rasch kommen, Mr. Savage. Da kommt ein Boot.«
»Kümmern Sie sich um ihn«, sagte ich zu Melos. »Und bleiben Sie außer Sichtweite.«
Mein erster Gedanke war: Das Spiel ist aus. Ich rechnete damit, daß man die Wache in Pavlos Zimmer entdeckt hatte, und daß nun ein Schnellboot uns kontrollieren wollte. Aber als das Schiff näherkam, klang die Maschine anders.
Es war ein Johnson-Boot mit einem doppelten Außenbordmotor, das fünfunddreißig Knoten schaffte. Am Ruder saß Morgan Hughes, 'und neben ihm hockte Yanni Kytros. Den Mann dahinter kannte ich nicht. Der gestrickten Mütze und dem schwarzen Regenmantel nach mußte es ein Matrose sein.
»Was zum Teufel machst du denn hier?« rief ich Morgan zu, während er Yassi eine Leine zuwarf.
Er grinste verlegen, als er hinter Kytros und dem anderen die Leiter heraufkam. »Mr. Kytros hat mir gesagt, daß ihr Schwierigkeiten habt, Jack. Er wollte euch helfen, und da ich wußte, wo ihr seid ...«
Er stand da und grinste verlegen. Der Matrose hinter Kytros zog eine Maschinenpistole und richtete die Mündung auf mich.
»Hände hinter den Kopf, Jack, keine Dummheiten.«
Kytros tastete mich nach Waffen ab. Dann nahm er Ciasim die Achtunddreißiger Automatic ab, die ich ihm auf der Insel gegeben hatte.
»Da ihr schon so früh zurück seid, nehme ich an, daß Pavlos Rettung geglückt ist.«
»Was kümmert Sie das?« fragte ich.
»Ich werde ihn übernehmen.«
Ich trat einen Schritt auf ihn zu, da hob sich die Mündung der Maschinenpistole.
»Würde ich nicht tun, Jack«, rief mir Ciasim zu. »Er meint es ernst.«
»Ist das wieder eins von Ihren kleinen Geschäften, Yanni?« fragte ich verbittert.
Er schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht, Jack. Es gibt ein paar Dinge, die man nicht mit Geld kaufen kann. Ich versichere Ihnen, daß Andreas Pavlo bei mir und meinen Freunden sicherer ist als bei Aleko. Dann ist er wenigstens unter Freunden.«
In diesem Augenblick ging mir ein Licht auf. Vielleicht wollte Yanni noch mehr sagen, aber er kam nicht dazu, denn Melos kam lautlos heran und jagte dem Mann mit der Maschinenpistole zwei Kugeln in die Brust. Die Wucht des Aufpralls trieb ihn zurück an die Reling. Sein Finger verkrampfte sich am Abzug der Maschinenpistole, und ein kurzer Feuerstoß jagte übers Deck. Dann ließ er sie fallen und stürzte in das Boot hinunter.
Yanni hockte am Deck und hielt sich den rechten Oberschenkel. Zwischen seinen Fingern sickerte Blut hindurch. Eine der Kugeln hatte ihn erwischt. Da drehte der arme Morgan durch. Er schrie vor Angst auf und stolperte auf die Reling zu. Melos erledigte ihn kaltblütig mit einem Genickschuß, und Morgan fiel zu dem Matrosen hinunter.
Ich ließ mich aufs rechte Knie fallen und griff nach der Maschinenpistole, aber da streckte Melos den Arm mit der Walther aus. Er war ein Profi und ganz bestimmt kein einfacher Schiffskapitän. Ich
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