Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Augen hatten ihn zum Tode verurteilt. "Wir können dich nicht laufen lassen, wir können dich nicht einsperren", hatte Francesco am Ende gesagt und dabei auf seine Hände geblickt, die ineinander verschlungen waren wie Ringer. "Morgen schon werden sie hier sein, spätestens übermorgen."
Vieri stand in der Mitte des kleinen Raumes und starrte auf die rotschwarze Binde am Arm des tenente-colonello . Noch immer versuchte er den Sinn seiner vorherigen Worte zu ergründen, dieses Das provisorische Revolutionsgericht verurteilt capitano Vieri Tarabella wegen Hochverrats zum Tode durch Erschießen. Auszuführen am morgigen Tag bei Sonnenaufgang , das noch im Raum stand, obwohl der tenente-colonello die lederne Mappe mit dem unterschriebenen Protokoll bereits geschlossen hatte. Es ist nur ein Spiel, dachte er, gleich werden sie brüllen vor Lachen, werden mir auf die Schulter klopfen und sagen: Na, haben wir dir einen schönen Schrecken eingejagt? Und es sah so echt aus, nicht wahr? Alles mit Brief und Siegel, roter Fahne an der Wand und einem Bild des Genossen Lenin. Wir spielen Räuber und Gendarm, dachte er, so wie früher, und einer wird auf einem Stuhl oder an einem Baum festgebunden und in den Rücken geschossen, in den Rücken oder in den Bauch. Meist ein Verräter oder ein Feigling. Es ist fast immer ein feiger Verräter.
Es war am 12. September gewesen, am Tag als D’Annunzio, der Dichtersoldat, an der Spitze einer bunt zusammenwürfelten Privatarmee im istrischen Fiume einmarschiert war. Wenn man ihm jetzt nichts entgegensetze, hatte Ruggiero gesagt, dann ist die Revolution am Ende. "Sie wird ersticken in Patriotismus und Revanchismus", hatte Ferruccio hinzugefügt, als sie alle auf ihn eingeredet und ihn beschworen hatten, sich ihnen anzuschließen. "Es ist vorbei", hatte Vieri geantwortet, "ihr kennt D’Annunzio nicht. Die Massen auf der Straße brüllen O Fiume o morte , nicht mehr Anarchia o morte . Niemand wird sich noch für uns interessieren."
Sie hatten ihn unter Hausarrest gestellt. Eine Woche lang hatte er in dem kleinen Zimmer gewartet, hatte atemlos die Gefechte verfolgt, unter denen der Stützpunkt gefallen war, und später war es Giovanni, der ihm die Neuigkeiten zuflüsterte, wenn er etwas zu essen oder zu trinken brachte. "Zwei Regimenter rücken von Bari aus vor. Sie haben Kartätschen. Sie werden uns zusammenschießen wie einen Haufen verrückter Neger." Und später. "Sie stehen schon in Castellaneta." Wenn Vieri ihn fragte, ob andere Einheiten sich den Aufständischen angeschlossen hätten, schüttelte er den Kopf. Dann sah er zu Boden, murmelte etwas von Feiglingen, von Verrat und ging hinaus.
„Möchten Sie noch etwas sagen, capitano Tarabella?“ Es war Ruggieros Stimme, oder eine Stimme, die jener von Ruggiero sehr ähnlich war.
Ein Spaziergang mit der Mutter an einem Sonntag in Monteforte fiel ihm ein. Er trug seinen neuen Marineanzug, so wie ihn die Bürgerkinder zu jener Zeit häufig trugen. Unsere Flotte, der Stolz des Vaterlands! Die Bergarbeiterkinder hatten mit Steinen nach ihm geworfen, schmutzige Bergarbeiterkinder mit aufgeschürften Knien und eingetrocknetem Rotz im Gesicht. Und er war selbst in den Dreck gefallen, hatte sich die Hose zerrissen und die weißblaue Mütze verloren.
Ich bin kein Verräter, wollte er sagen, und ich werde schweigen, sollte ich den regulären Armeeeinheiten in die Hände fallen. Oder ich werde kämpfen und sterben, so wie auch ihr morgen oder übermorgen kämpfen und sterben werdet. Aber vielleicht wusste er, dass sie ihn nicht hörten, oder wenn sie ihn hörten, nicht verstünden, oder wenn sie ihn verstünden, nicht glaubten. So sagte er: „Ich bitte darum, in Ehren zu sterben. Ich bitte nicht für mich, ich bitte für meine Familie.“ Und als sie schwiegen, fügte er hinzu: „Gebt mir ein Flugzeug und lasst mich aufs Meer hinaus.“ Und als sie noch immer nicht antworteten, fügte er hinzu: „Ich gebe euch mein Ehrenwort als Offizier.“
„ Signor capitano ?“
Vieri schreckt aus seinen Gedanken auf. „Was gibt es, Pertini?“
Sein Mechaniker sieht ihn fragend an, fragend und ein wenig erstaunt. Vielleicht hat er ihn mehr als einmal gerufen. „Die Albatros ist bereit, signor capitano“, sagt er nur.
„ Grazie , Pertini.“
Vieri tastet nach seinen Handschuhen, nach der Brille. Gemeinsam gehen sie zum Flugzeug. Weiß und hoch, groß wie ein Haus ragt es vor ihnen in den Morgenhimmel. Es ist ein Kunstwerk, denkt Vieri,
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