Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
und weite, weichfallende Kleider, sei es, um eine beginnende Fettleibigkeit zu vertuschen, sei es, weil sie so bequem waren, wie man sie häufig schwärmen hörte. Sie war stets sorgfältig geschminkt und trug bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit schweren Goldschmuck, der gut mit ihrem blondierten Haar harmonierte. Obwohl sie auf die vierzig zugehen mochte, eine Hochrechnung, die das Alter der Tochter nahe legte, war sie noch immer eine schöne Frau, und gerne reichte sie Fotografien herum, die sie leicht bekleidet in den guten alten Pariser Zeiten zeigten: ein verführerischer Engel, der die durchaus ansehnliche Tochter weit in den Schatten stellte.
Einmal im Monat, meistens am ersten Sonntag, fuhr die Wirtsfamilie mit dem Zug nach Pisa. Dann gab es kein warmes Mittagessen, und für die Pensionsgäste wurde ein Picknick vorbereitet. Concetta, die ihren freien Tag opfern musste, verstaute alles im Handwagen, und die Männer zogen ihn zum Strand. Dort wurde ein richtiges Bankett aufgebaut mit damastenen Tischdecken und gestärkten Servietten, Porzellantellern und Kristallgläsern. Es gab Reissalat und kalten Braten, Schinken, Schafskäse, dunkles Bergbrot und in Olivenöl und Kräutern eingelegtes Gemüse, das ein aus Apulien zugezogener Bauer als besondere Spezialität zum Markt brachte: in der Sonne gedörrte Auberginenscheiben, Tomatenhälften, Zucchini und Paprika, Zwiebelringe und ganze Knoblauchzehen. Auch ein paar Flaschen Chianti lagen zur Kühlung im seichten Wasser.
Trotz der perfekten Vorbereitung und stilvollen Durchführung haftete diesem Tag stets etwas Abenteuerliches an, eine Aufgeregtheit, die sich bis zum Abend hielt. Vielleicht war es der Bruch mit den Gewohnheiten oder die Mittagshitze, das Meer, die wenigen Sandkörner, die sich zwischen die Zähne verirrten. Wenn der Strand sich geleert hatte, in den Stunden, die normalerweise der Mittagsruhe vorbehalten waren, blieben die Pensionsgäste wie die Eroberer einer einsamen Insel zurück. Sie fühlten sich als Pioniere, und während sie an gebratenen Hähnchenkeulen und gefüllten Schweinepfoten kauten, zwischen einem Schluck Wein und dem anderen, stellten sie sich vor, sie schlügen exotische Früchte von den Bäumen oder brieten auf Holzfeuern selbst gefangenen Fisch. Nur Lidia, die mittags wenig zu sich nahm, war in die Kühle ihres Zimmers zurückgekehrt, um ein wenig zu schlafen.
An einem solchen Sonntag, als nur noch die Fliegen die Essensreste umschwirrten, saßen die Männer bei einer Flasche Grappa zusammen. Einzig Massimo Giacometti fehlte. Er hatte sich zu Signora Petrelli und deren Tochter gesellt, die vollständig angezogen im schmalen Schatten eines Sonnensegels ihre blasse Haut vor den Strahlen der Sonne zu schützen versuchten. Germaine schlief auf einer Liege hinter den Badekabinen. Jemand hatte Zigarren verteilt, und es wurde gescherzt und gelacht. Selbst der stets in sich gekehrte Matteo schien aufzutauen. Nur Maximilian, der sich fragte, ob er Laura an diesem Tage noch sähe, konnte die ausgelassene Stimmung nicht richtig genießen.
Je mehr Alkohol floss, je länger die Sonne auf sie herunterbrannte, umso übermütiger wurden sie. Derbe Anspielungen machten die Runde, und Josef Lindemann begann argwöhnisch das Treiben Giacomettis zu beobachten, der immer näher an die beiden Frauen heranrückte.
Irgendwann legte sich das letzte Lüftchen, und sie hielten es auf ihren Liegen und Stühlen nicht mehr aus. Als müssten sie doch noch etwas Besonderes vollbringen, begannen sie eine große Sandburg zu bauen, trotzten dem Wasser ein paar Handbreit Land ab und saßen dann im feuchten Sand. Das Meer war so glatt, als hätte man Öl hineingeschüttet, die Wellen ein unmerkliches Heben und Senken, und wenn sie sich brachen, leise wie reißendes Papier, dann kroch das kühle Nass über ihre Füße die Beine hinauf.
Josef, dem es gut zu bekommen schien, die drei Italiener vom Wasser aus nicht mehr beobachten zu können, erzählte von einem abenteuerlichen Plan, das Mittelmeer trocken zu legen. Ein deutsches Architekturbüro habe den Anrainerstaaten vorgeschlagen, die Meerenge von Gibraltar mit einer Staumauer zu sperren. Schon in wenigen Jahrzehnten wäre es dann möglich, trockenen Fußes nach Korsika zu gelangen, nach Sardinien, sogar nach Afrika! "Können Sie sich vorstellen, wie viel Raum, wie viel Ackerland man gewinnen könnte", fragte er, und Maximilian starrte ins Meer, als säße er bereits jetzt auf einem Berg und
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