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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Ausrede einfallen zu lassen.
    Die Damen kamen selbstredend nicht in Frage, Arkadij dachte nicht im Traum daran, den eigentlich schon besiegten Kontrahenten, sozusagen durch die Hintertür, doch noch zum Sieg zu verhelfen, Boris, der eine gewissen Sympathie für die technische Seite der Herausforderung hegte, erklärte, er sei durch und durch unsportlich. Giacometti lehnte es brüsk ab, sich vor der ganzen Welt zum Affen machen zu lassen. Josef schlug sich ein paar Mal entschuldigend, wenn auch nicht sonderlich betrübt gegen die Brust. Stefano hätte sich vermutlich breitschlagen lassen, doch als Laura plötzlich aus der Menge auftauchte mit ihrem noch halbvollen Korb bomboloni und der ins Gesicht geschriebenen Gleichgültigkeit, trat Maximilian einen Schritt vor: „Ich mach es.“
    Es war keine Verzweiflung, die ihn dazu trieb, er wollte niemanden etwas beweisen, und es steckte auch keine Berechnung dahinter, nicht die Absicht, Laura zu ängstigen, noch jene, sie zu beeindrucken. Nichts war in ihm vorgegangen, kein Gedanke, nicht einmal ein Gefühl. Es war wie ein Reflex gewesen, etwas, was aus den Tiefen seines Rückgrats kam und ihn vorwärtsgehen ließ, das tun ließ, was getan werden musste. Erst als Erstaunen in ihre Gesichtern trat, Erleichterung, erst als sie ihm auf die Schultern klopften und zum Boot drängten, erst dann kam die Angst. Da suchte er ihren Blick, ihre glänzenden Augen, und sein Herz klopfte ihm laut in der Kehle.
    Es wurde eine denkwürdige Fahrt. Das Boot ging in Position, er stellte die Bretter so, wie Scott es ihm eingeschärft hatte, und der Motor kreischte auf. Das Seil sprang aus dem Wasser und riss ihn mit der unbändigen Kraft entfesselter Pferde mit. Schon beim ersten Mal stand er, ein wenig gebückt und verkrampft zwar, doch je länger er über das spiegelglatte Meer flog, umso besser gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten, seinen Schwerpunkt so weit nach hinten zu verlagern, dass er seine Füße nicht überholte, die Beine zu schließen, mit federnden Knien die heftigen Schläge auszugleichen. Bald entspannte er sich, lehnte sich zurück, und plötzlich bedurfte es keiner Anstrengung mehr, keiner Konzentration. Er war schwerelos geworden, und jetzt flog er tatsächlich, flog zwischen den Elementen dahin, nicht mehr im Wasser und noch nicht in der Luft. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Er war wie im Rausch, im Rausch der Geschwindigkeit, die an seinen Füssen zerrte, an seinem ganzen Körper, und im Rausch des Triumphs, den er genauso deutlich zu schmecken glaubte wie das Salz in seinem Mund, so eindringlich spürte, wie den am Seil tanzenden Ring in seinen Händen. Obwohl er die jubelnde Menge nicht hören und im dichten Rauch der Abgase nur undeutlich sehen konnte, wusste er sie dort, wusste sie dort, wo er Laura wusste.
    Matteo wagte einen lang gezogenen Halbkreis, und das Boot kam zurück, raste noch einmal die Küste entlang an den schreienden Menschen vorbei.
    Später nach Minuten, Stunden, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, stand er mit wackligen Beinen am Ufer. Fremde umringten ihn. Jemand reichte ihm ein großes Handtuch. Dann drängte sich Laura durch die Umstehenden hindurch, schlang ihre Arme um ihn, küsste seinen Mund, seine Wangen, seine Augen, und auch er küsste sie, und er schmeckte ihre Tränen, aber vielleicht war es nur das Salz seines eigenen nassen Gesichts. Sie flüsterte unaufhörlich: „Du Dummer! Warum hast du das getan, warum nur?“ Er antwortete: „Ich weiß es nicht.“
     

9. Kapitel
     
    Es war jene Zeit des Jahres, in der die Wochen sich endlos zu dehnen scheinen, in ausgedörrte Tage zerfallen, die keinen Anfang haben und kein Ende, in Nächte, in denen das Meer schwarz und schweigsam daliegt wie ein Abgrund.
    Der Monolith kroch zu Tal, seiner Bestimmung entgegen, er hatte sich erst vor ein paar Tagen unter die Eisenbahnlinie hindurchgezwängt, wie eine Katze durch die zu schmale Lücke in einem Zaun, und man begann sich zu fragen, ob er tatsächlich wie geplant an Maria Himmelfahrt ordentlich verladen im Hafen läge.
    Alles schien verlangsamt, in der Hitze wie erstarrt.
    Die Aufregung um den abenteuerlichen Ritt auf dem Wasser hatte sich schon lange gelegt. Nur der Artikel der Lokalzeitung, den Pieros Frau ordentlich ausgeschnitten am Anschlagbrett neben dem Zugfahrplan von Pietrasanta befestigt hatte, erinnerte an das große Ereignis.
    Auch der Beziehungswirrwarr der Pensionsgäste schien sich beruhigt zu haben. Josef hatte sich

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