Die Nacht zum Dreizehnten
Hautemphysem!« sagte er dann und deutete auf das immer noch stark geschwollene Gesicht.
»Ja, Herr Oberarzt, ein Hautemphysem. Wahrscheinlich ein Lungenriß. Wir haben dräniert.« Sie hob die Bettdecke hoch und zeigte auf die mit dem Handschuhfingerling verschlossene Kanüle. »Außerdem lag ein Dünndarmriß vor, den –«, sie zögerte einen Augenblick, »Dr. Heidmann übernäht hat.«
»So- Dr. Heidmann hat ihn übernäht? Und was haben Sie denn operiert? Chiron hat mir eben erzählt, daß Sie die Operation durchgeführt haben.«
»Ich habe sie allenfalls geleitet. Das heißt«, sie deutete auf die Kanüle, »ich habe rasch die Entlastung vorgenommen, damit der Patient nicht erstickt, und habe«, sie zeigte am Hals auf den Schnitt, den sie dort gelegt hatte, »hier einen Entlastungsschnitt angelegt, damit die Luft aus dem Hautemphysem entweichen kann.«
*
»Zu wem wollen Sie denn?« Der Pförtner schaute erstaunt den Motorradfahrer an, der vor der Klinik angehalten hatte. »Sind Sie krank?«
»Noch nicht!« Der Mann klappte das Visier seines Schutzhelms hoch und sah den alten Pförtner grinsend an.
»Was wollen Sie denn?« Der Pförtner griff schon zum Telefon. Er fürchtete, daß der junge Mann einer jener Rocker war, die nachts die Gegend unsicher machten.
»Da ist doch vorhin ein Unfall eingeliefert worden, nicht wahr?« Der Mann stieg vom Motorrad.
»Ja?« Die Blicke des Pförtners glitten über die Gestalt des Mannes. Sein Mißtrauen schwand. Der Fahrer hatte ein durchaus gutmütiges Gesicht. Nur diese Uniform, die heute fast alle Jugendlichen trugen, verlieh ihm das Aussehen eines Marsmenschen oder eines gefährlichen Rockers.
»Wollen Sie etwa zu ihm? Jetzt ist aber keine Besuchszeit!«
»Ich wollte mich nur erkundigen. Ich bin beim Nachbarn beschäftigt. Wir sind befreundet. Da dachte ich mir, ich gehe mal nach ihm gucken. Morgen früh habe ich nämlich keine Zeit. Da muß ich arbeiten.«
»Eben war der Oberarzt hier, aber da kommt Dr. Bruckner. Der hat zwar mit dem Fall nichts zu tun, aber da der Patient auf seine Station gekommen ist, wird es ihn sicher interessieren. Herr Dr. Bruckner!« Der Pförtner trat auf die Straße und winkte.
»Wo brennt es denn? Ich habe heute keinen Dienst.«
»Ich weiß, ich weiß ; aber da ist ein schrecklicher Unfall passiert. Der Mann liegt auf Ihrer Station. Und Oberarzt Wagner war nicht da. Dr. Heidmann mußte ganz allein operieren. Wir haben Dr. Wagner verzweifelt gesucht …«
Die Worte des Pförtners sprudelten nur so über seine Lippen. Je mehr er redete, desto aufgeregter wurde er.
Thomas Bruckner legte ihm lächelnd die Hand auf die Schulter. »Ruhig Blut! Wir haben also einen Unfall bekommen. Dr. Heidmann hat ihn operiert, obgleich Oberarzt Wagner nicht da war. Stimmt das?«
»Ja!« Der Pförtner nickte. »Aber es ist nicht alles glattgegangen. Und nun –«, er zeigte auf den Mann, der neugierig zugehört hatte, »kommt dieser Herr …«
»Mein Name ist Müller!« Er gab Dr. Bruckner ungelenk seine Hand. »Ich bin mit dem Streiber befreundet, der vom Pferd getreten worden ist. Ich habe es zufällig erfahren. Da dachte ich, ich komme mal gleich her. Man ist doch schließlich daran interessiert, wie es seinem Freund geht.«
»Haben Sie den Unfall miterlebt?« fragte Dr. Bruckner.
»Nein, man hat es mir nur erzählt. Die Polizei war da.«
»Das ist doch aber kein Grund, mitten in der Nacht herzukommen. Wenn Sie uns nichts Näheres über den Unfallhergang erzählen können …«
»Da haben Sie recht! Aber –«, der Mann nahm seinen Helm endgültig ab und fuhr sich mit der Hand durch sein struppiges blondes Haar, »ich war nur erstaunt, daß Harald – so heißt mein Freund – wieder in Köln ist. Er ist letzte Woche verreist und wollte Urlaub machen. Ich kann nicht verstehen, daß er zurückgekommen ist, ohne mich zu benachrichtigen. Wir beide sind nämlich sehr eng befreundet, müssen Sie wissen. Er arbeitet bei Dietmar Bursoni, dem bekannten Sänger«, fügte er bedeutungsvoll hinzu, anscheinend um sich selbst ins rechte Licht zu setzen. »Da ist er Chauffeur, Gärtner und Tierpfleger. Herr Bursoni hält nämlich Reitpferde.«
Dr. Bruckner legte dem Kraftfahrer die Hand auf die Schulter. »Kommen Sie am besten morgen wieder. Wissen Sie –«, er schaute auf seine Uhr, »es ist heute schon etwas spät. Und wir haben heute keine Zeit, das, was Sie sagen, zu Protokoll zu nehmen. Außerdem werden Sie heute sowieso Ihren Freund nicht
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