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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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recht. Vielen Dank. Kommt Schwester Ariane noch einmal?«
    Schwester Angelika schmunzelte. »Heute nicht mehr! Sie hat frei. Morgen wird sie sicherlich zu Ihnen kommen.«
    »Sie hat frei?« Dietmar fühlte Eifersucht in sich aufsteigen. »Was macht sie denn an ihrem freien Nachmittag und Abend?«
    »Was Schwestern so machen, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Meistens legen sie sich hin und versuchen, etwas zu schlafen. Da kommt übrigens Dr. Bruckner.« Sie lauschte den Schritten, die auf dem Flur erklangen.
    Thomas Bruckner trat ein. Er zog sich einen Stuhl heran und bedeutete den Patienten, sich gleichfalls zu setzen.
    »So feierlich?« Fragend schaute der Patient den Arzt an. »Sie wollen mir wahrscheinlich noch einmal verkünden, daß ich morgen in das Mehrbettzimmer komme?«
    »Das ist nicht der Grund meines Kommens. Das wissen Sie ja bereits. Aber ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Morgen beginnen die Vorlesungen. Sie wissen vielleicht, daß wir dabei Patienten mit besonders interessierenden Krankheiten vorstellen. Ich wollte Sie nun für morgen darum bitten. Ein Professor aus Hannover kommt zu uns und vertritt unseren Chef, Professor Bergmann. Für den muß ich ein paar Fälle zusammenstellen, die in der Vorlesung gezeigt werden.«
    »Ich soll Versuchskaninchen sein?« Dietmar Bursoni sprang empört auf und streckte beide Arme von sich. »Auf gar keinen Fall! Bedenken Sie, daß ich …« Er hielt mitten im Satz inne. Fast hätte er verraten, daß er ein bekannter Sänger sei.
    Dr. Bruckner schien seine Gedanken erraten zu haben. »Sie meinen, es könnte Sie jemand erkennen? Wissen Sie –«, er schüttelte den Kopf, »Ihr Gesicht ist noch so entstellt, daß Sie sich wahrscheinlich selbst nicht erkennen würden, wenn Sie sich auf der Straße begegneten.« Dr. Bruckner beugte sich vor: »Schauen Sie, wir brauchen doch Fälle, die interessant sind, und aus denen die Studenten etwas lernen. Ein solches Hautemphysem, wie Sie es haben, ist eine ziemliche Seltenheit. Die Studenten müssen kennenlernen, wie so etwas aussieht und es muß ihnen gesagt werden, wie sie es behandeln müssen, damit den Verletzten das Leben gerettet wird. Ihnen haben wir ja auch das Leben gerettet. Ist es dann nicht nur recht und billig, wenn Sie dafür sorgen, daß anderen Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben, das gleiche geschieht?«
    Dr. Bruckners Stimme klang eindringlich. Er nahm beide Hände des Patienten und hielt sie fest. »Überlegen Sie es sich, bitte!«
    »Es war doch Schwester Ariane, die mich letzten Endes gerettet hat, nicht wahr?«
    Dr. Bruckner nickte. »Ja, sie war es! Deswegen sollten Sie sich jetzt auch zum Dank vorstellen lassen. Es geschieht Ihnen ja nichts weiter, als daß man Sie in den Hörsaal hineinführt, daß ein oder zwei Studenten einmal kurz auf Ihr Gesicht fassen, um dieses Gefühl zu erkennen, das man bei Berühren eines Emphysems hat …«
    »Ich werde es mir überlegen. Ich weiß nicht recht …« Er trat vor den Spiegel, schaute lange hinein und wandte sich dann zu Dr. Bruckner um. »Vielleicht haben Sie recht. Mit dem Gesicht würde ich mich selbst nicht erkennen.«
    »Unter dieser Bedingung kann ich Sie sogar länger im Einzelzimmer behalten. Sie bekommen es dann gewissermaßen als eine Belohnung für Ihre freiwillige Handlung.«
    »Ich darf es mir bis heute abend überlegen?«
    »Selbstverständlich! Der Professor, der morgen die Vorlesung halten wird, ist übrigens ein Experte auf diesem Gebiet. Sie werden wahrscheinlich viele interessante Dinge über Ihre Krankheit von ihm erfahren.« Dr. Bruckner erhob sich und ging zur Tür, an der Schwester Angelika schon wartend stand. »Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß. Sie können durch dieses kleine Opfer, das Sie bringen, unter Umständen vielen Menschen später das Leben retten!«
    Dr. Bruckner nickte ihm noch einmal zu, dann verließ er das Krankenzimmer.
    Dietmar Bursoni blieb allein zurück. Er war es zwar gewöhnt, vor vielen Menschen aufzutreten, aber hier lagen ja die Verhältnisse ganz anders. Jetzt sollte er als eine Art Schauobjekt vorgeführt werden.
    Er ging im Zimmer auf und ab und überlegte. In vierzehn Tagen hatte er ein Konzert in Marseille. Er schwankte und wußte noch nicht, ob er es absagen sollte. Wenn seine Heilung so gute Fortschritte machte, konnte er es ohne weiteres wagen, dort aufzutreten. Was ihm vielleicht noch an Lungenkraft fehlte, wurde durch eine gute

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