Die Nachtmahr Wunschträume
dass auch Elijah bei unserer kleinen Gruppe blieb.
»Och, bitte ...« Ich drehte mich zu ihm um. Aber wie erwartet blieb er von meinem unterschwelligen Tadel ungerührt. Dabei hatte er diesen Kurs sicher nur genommen, weil ich ihn genommen hatte. Wetten? Aus welchem Grund sollte ein normaler Kerl auch ausgerechnet »Hauswirtschaft« nehmen?
Stumm zählte ich die Sekunden, bis der Lehrer für das Fach eintraf und betete gleichzeitig stumm darum, dass es nicht unser neuer Rektor war. Von der Skurrilität einmal ganz abgesehen, hatte ich inzwischen eine gewisse Aversion gegen Schuldirektoren entwickelt. Zum Glück betrat Miss Shelter kurz nach uns den Raum.
»Unnnddd Jackpot!«, verkündete Elijah leise.
»Nur weil ich ihre Schwimmtrainerin bin, Mister Jaro, bedeutet das noch lange nicht, dass sie bei mir einen Stein im Brett haben«, dämpfte die gut aussehende Lehrerin Elijahs Aussage. Nur um ihm Sekunden später zuzuzwinkern und ihre Worte abzumildern.
Mein leiser Seufzer ging in der stummen Zustimmungshaltung der restlichen Klasse unter. Gegen Elijahs Charme war niemand immun. Nicht einmal diejenigen, die es behaupteten, so wie Rebecka und Daria. Nur meine Wenigkeit hatte bislang den Avancen des Inkubus widerstanden. Aber hier in dieser Klasse war er nun der unangefochtene Hahn im Korb und irgendwie schaffte es jede seiner Hautzellen ein gewisses Genießen auszustrahlen. Typisch!
Für jemanden, der mit der Liebe abgeschlossen hatte, beziehungsweise nicht an sie glaubte, war er auf diesem Gebiet immer noch sehr agil. Um nicht zu sagen ein Herzensbrecher. MEIN Herzensbrecher. Es tat einen Moment lang gut, zu wissen, dass ich ihn haben könnte. Mit dem Schnippen meines Fingers.
Im nächsten Moment setzte mein Gewissen wieder ein. Es war falsch so etwas gut zu finden. Gemein. Vor allem, weil ich nichts für ihn empfand. Nichts mehr. Seit ich sein Spiel durchschaut hatte. Vorher hatte ich ihn ernsthaft als Freund in Erwägung gezogen. Schon da hätte ich aufwachen müssen. Man zieht doch niemanden in Erwägung. Entweder empfindet man etwas, oder nicht. Und wenn man genug empfindet, ist es ein klares »ja«. Alles dazwischen ist Wischi-Waschi-Ich-kann-nicht-allein-sein-Kram. Okay, ja. Ich will nicht allein sein. Und ich will eine Beziehung. Jemand, der mich liebt, so wie ich bin, der mir das Gefühl gibt, richtig zu sein und vollständig. Ja, ich träume genauso von der »Wir gegen den Rest der Welt«-Liebe, wie jeder andere auch.
Aber eben nicht mit Elijah. Dafür hatte er mich zu sehr verletzte. Dankeschön auch. Und jemanden nur
haben
zu wollen, um des
Habens
willen, war einfach nicht richtig und würde es auch nie sein. Egal wie niedlich derjenige war.
Elijah sah auf und unsere Blicke begegneten sich. Ohne seinen Inkubus-Charme wäre er nur ein ganz gewöhnlicher Junge, bis zu einem gewissen Grad so unscheinbar, dass man ihn ohne Probleme übersehen konnte. Aschblond, mit einem nichtssagenden Haarschnitt, ein wenig blass, grau-blaue Augen und abgesehen von seinem überdurchschnittlichem Ego und seinem Hoppla-hier-komm-ich-Auftreten ein durchschnittlicher Teenager.
Als sich seine etwas zu schmalen Lippen zu einem Lächeln verzogen, streckte ich ihm die Zunge raus. Kindisch, aber er sollte bloß nicht denken, ich hätte romantische Fantasien ihn betreffend. Oder überhaupt Fantasien. Blödmann.
Demonstrativ drehte ich den Kopf, so dass ich aus dem Fenster sehen konnte. Und wünschte mir im selben Moment, ich hätte es nicht getan. Albträume waren Scheiße, aber die Realität manchmal auch.
»Ist das Dominique, der dort nackt im Regen tanzt?« Daria beugte sich weiter vor, um Davids Best Buddy besser sehen zu können. Ich schob sie zurück. Nicht nur um Augenkrebs zu vermeiden, sondern auch, um nicht die gesamte Klassenaufmerksamkeit auf den nackten Tänzer zu lenken. Schlimm genug, dass er sich selbst zum Affen machte, aber wir mussten ja nicht auch noch mitmachen.
Stoisch setzte ich mich wieder zurück und behielt meine Lehrerin im Blick. Auch wenn es mich meine komplette Konzentration kostete. Erst als es zur Pause klingelte, sah ich noch einmal nach Draußen. Der Regen war verschwunden – Dominique zum Glück auch.
Fünf Stunden später hatte ich das Bild immer noch nicht aus meinem Kopf bekommen. Wieso tanzte jemand im Regen und wieso ausgerechnet Dominique? Ihn hatte ich bislang nicht als romantisch oder durchgeknallt eingestuft. Ich konnte ihn nicht leiden, aber das hatte durchaus rationale
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