Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
warum wir es singen!
    Wir nicht können die Worte richtig reimen!«

    »Zählt ab!«
    »Eins! Zwei!«
    »Zählt ab!«
    »Viele! Eine Menge!«
    »Zählt ab!«
    »Äh… was?«

    Es wurmte Mumm noch immer, dass viele der neuen Wächter, die die
    kleine Schule in der alten Limonadenfabrik besuchten, den Dienst
    unmittelbar nach der Probezeit quittierten. Aber das hatte auch seine
    guten Seiten. Inzwischen waren die Sammys fast bis Überwald
    verbreitet, und sie al e brachten die Beförderungen vor Ort in Schwung.
    Es zahlte sich aus, Namen zu kennen und zu wissen, dass man den
    Namen beigebracht hatte, vor ihm, Mumm, zu salutieren. Bei dem Hin
    und Her der Politik redeten die jeweiligen Herrscher oft nicht
    miteinander, aber über die Nachrichtentürme standen die Sammys
    ständig miteinander in Verbindung.
    Mumm merkte, dass er leise die Melodie eines anderen Lieds summte.
    Eine Melodie, die er schon seit Jahren vergessen hatte. Sie stand mit
    dem Flieder in Verbindung, vereinte den Duft mit dem Lied. Mumm
    hielt inne und fühlte sich schuldig.
    Er schrieb die letzten Worte des Briefes, als jemand an die Tür
    klopfte.
    »Bin fast fertig!«, rief er.
    »Ich binf, Herr«, sagte Obergefreiter Igor und sah herein. »Igor,
    Herr«, fügte er hinzu.
    »Ja, Igor?«, erwiderte Mumm und fragte sich nicht zum ersten Mal,
    warum jemand mit Nähten überal am Kopf darauf hinweisen musste,
    wer er war.*
    »Ich wol te nur fagen, daff ich den jungen Starkimarm wieder auf die
    Beine bringen könnte, Herr«, sagte Igor ein wenig vorwurfsvol .
    Mumm seufzte. Igors Gesicht offenbarte Sorge und Enttäuschung.
    Man hatte ihn daran gehindert, sein… Gewerbe auszuüben. Er war von
    Natur aus enttäuscht.
    »Darüber haben wir bereits gesprochen, Igor. Es geht nicht darum,
    ein abgetrenntes Bein wieder anzunähen. Und überhaupt sind die
    Zwerge strikt gegen so etwas.«
    »Es ift überhaupt nichtf Übernatürlichef daran, Herr. Ich bin ein
    Mann der Naturphilofophie! Und er war noch warm, alf man ihn
    brachte…«
    »Du kennst die Regeln, Igor. Trotzdem vielen Dank. Wir wissen, dass
    du das Herz am rechten Fleck hast…«
    » Fie find an den richtigen Flecken, Herr«, sagte Igor missbilligend.
    »Genau das meine ich«, entgegnete Mumm, ohne sich etwas
    anmerken zu lassen.
    »Oh, na gut, Herr«, sagte Igor und gab sich geschlagen. Er zögerte
    kurz, bevor er fragte: »Wie geht es Ihrer Ladyschaft, Herr?« Mumm
    hatte damit gerechnet. Es war eine schreckliche Sache, aber seine
    Vorstellungskraft hatte ihm bereits die Möglichkeit dargeboten, dass
    Igor und Sybil im gleichen Satz auftauchten. Was nicht heißen sol te,
    dass er Igor ablehnend gegenüberstand. Ganz im Gegenteil. Ohne Igors
    genialen Umgang mit der Nadel wäre so mancher Wächter nicht mehr
    auf den Straßen der Stadt unterwegs gewesen. Aber…
    »Gut«, sagte Mumm abrupt. »Es geht ihr gut.«
    »Wie ich hörte, war Frau Zufrieden ein wenig besorgt…«

    * Der Igor, der als forensischer Spezialist und Doktor für die Wache arbeitete, war recht jung (soweit man das von einem Igor sagen konnte, denn unter
    Igors wurden nützliche Gliedmaßen und Organe so weitergegeben wie
    Taschenuhren bei gewöhnlichen Leuten) und dachte sehr modern. Er ölte sein
    Haar, hatte eine Tolle, trug Schuhe mit Kreppsohlen und vergaß manchmal
    das Lispeln.
    »Igor, es gibt da einige Dinge… Äh, weißt du irgendetwas über Frauen und Babys?«
    »Nicht in dem Finne, Herr, aber wenn ich etwaf auf der Platte liegen
    habe und ordentlich darin kramen kann, werde ich mit al em fertig…«
    An dieser Stelle streikte Mumms Vorstellungskraft.
    »Danke, Igor«, brachte er hervor, ohne dass seine Stimme zitterte.
    »Frau Zufrieden ist eine sehr erfahrene Hebamme.«
    »Wie du meinft, Herr«, erwiderte Igor mit Zweifel in jedem Wort.
    »Und jetzt muss ich gehen«, sagte Mumm. »Ein langer Tag wartet auf
    mich.«
    Er lief die Treppe hinunter, gab den Brief Feldwebel Colon und
    nickte Karotte zu. Mit langen Schritten gingen sie in Richtung Palast.
    Als sich die Tür geschlossen hatte, sah einer der Wächter von seinem
    Schreibtisch auf. Er war bisher bemüht gewesen, einen Bericht zu
    schreiben und, typisch für Polizisten, darin die Dinge zu erwähnen, die
    eigentlich hätten geschehen sol en.
    »Feldwebel?«
    »Ja, Korporal Fing?«
    »Warum tragen einige von euch violette Blumen, Feldwebel?«
    Die Atmosphäre im Wachraum veränderte sich auf subtile Weise –
    viele aufmerksam lauschende Ohren saugten alle

Weitere Kostenlose Bücher