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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Moos
    bewachsen, doch beim mittleren war es weggekratzt worden, sodass ein
    Name zu lesen war:

JOHN KEEL
    Darunter hatte jemand mit großer Sorgfalt folgende Worte ins Holz
    geritzt:

Wie fliegen sie nach oben
    Ein großer Kranz aus Fliederblüten, geschmückt mit einem violetten
    Band, ruhte auf dem Grab. Und darauf, ebenfal s von einem violetten
    Band umschlungen, lag ein Ei.
    »Frau Palm, Frau Battye und einige der Mädchen waren früher hier«,
    sagte Schnapper. »Und Madame denkt natürlich immer an das Ei.«
    »Es ist nett, dass sie sich immer daran erinnern«, meinte Feldwebel
    Colon.
    Wieder schwiegen die drei Männer, denn sie waren nicht mit einem
    Vokabular für solche Gelegenheiten ausgestattet. Schließlich fühlte sich
    Nobby verpflichtet, etwas zu sagen.
    »Er gab mir einmal einen Löffel«, teilte er der Welt mit.
    »Ja, ich weiß«, sagte Colon.
    »Mein Vater stahl ihn mir, als er aus dem Gefängnis kam, aber es war
    mein Löffel«, beharrte Nobby. »Das bedeutet einem Jungen viel, ein
    eigener Löffel.«
    »Außerdem war er der Erste, der mich zum Feldwebel ernannte«,
    meinte Colon. »Später bin ich natürlich wieder degradiert worden, aber
    ich wusste, dass ich es erneut schaffen konnte. Er war ein guter
    Polizist.«
    »Er kaufte eine Pastete von mir«, sagte Schnapper. »Hatte gerade erst
    mit dem Geschäft begonnen. Er aß sie ganz. Spuckte nichts aus.« Wieder folgte Stille.
    Nach einer Weile räusperte sich Feldwebel Colon, ein Hinweis darauf,
    dass ein gewisser Moment vorüber war. Muskeln entspannten sich.
    »Wir sol ten einmal mit einer Hippe hierher kommen und al es in
    Ordnung bringen«, sagte Colon.
    »Das sagst du immer, Feldwebel, jedes Jahr«, erwiderte Nobby, als sie
    fortgingen. »Aber wir tun’s nie.«
    »Wenn ich einen Dol ar für jede Beerdigung eines Polizisten
    bekommen würde, bei der ich dabei gewesen bin, dann hätte ich…
    neunzehn Dol ar und fünfzig Cent«, sagte Colon.
    »Fünfzig Cent?«, wiederholte Nobby.
    »Nun, Korporal Hildebiddel ist rechtzeitig aufgewacht und hat an den
    Sargdeckel geklopft«, erklärte Colon. »Das war vor deiner Zeit. Alle
    sprachen von einer erstaunlichen Genesung.«
    »Herr Feldwebel?«
    Die drei Männer drehten sich um. Mit einer Art
    Hochgeschwindigkeitsschleichen näherte sich ihnen der dürre, in
    Schwarz gekleidete Erste Eheliche, Totengräber des Friedhofs.
    Colon seufzte. »Ja, Erster?«, fragte er.
    »Guten Morgen, o ihr…«, begann der Totengräber, aber Feldwebel
    Colon winkte mit dem Zeigefinger.
    »Hör auf damit«, sagte er. »Du bist doch schon einmal gewarnt
    worden. Lass den Kram mit dem ›komischen Totengräber‹. Er ist
    nämlich gar nicht komisch, und schon gar nicht clever. Sag einfach, was
    du zu sagen hast. Ohne irgendwelche dummen Dinge.«
    Erster wirkte niedergeschlagen. »Nun, ihr Herren…«
    »Wir kennen uns seit Jahren, Erster«, sagte Colon müde. »Versuch’s
    einfach.«
    »Der Dekan möchte die Gräber ausheben, Fred«, sagte Erster in
    schmollendem Tonfal . »Mehr als dreißig Jahre sind vergangen. Wird
    längst Zeit für die Gruft.«
    »Nein«, sagte Fred Colon.
    »Aber ich habe dort unten ein hübsches Regal für sie, Fred«, bat
    Erster. »Ganz vorne. Wir brauchen den Platz, Fred! Hier gibt’s nur noch Stehplätze, das ist die Wahrheit! Selbst die Würmer müssen im
    Gänsemarsch hinein! Ganz vorne, Fred, wo ich mit ihnen reden kann,
    wenn ich Tee trinke. Wie wär’s damit?«
    Die Wächter und Schnapper wechselten einen Blick. Die meisten
    Bewohner der Stadt hatten einmal die Gruft des Ersten Ehelichen
    besucht, wenn auch nur als Mutprobe. Für viele von ihnen war es ein
    Schock zu erfahren, dass eine feierliche Bestattung nicht für die
    Ewigkeit war, sondern nur für ein paar Jahre, damit »meine kleinen
    kriechenden Helfer«, wie es Erster ausdrückte, ihre Arbeit erledigen
    konnten. Anschließend wurden die Gruft und ein Eintrag in einem der
    großen Bücher zur letzten Ruhestätte.
    Erster lebte dort unten, als Einziger, wie er betonte. Und er mochte
    die Gesel schaft.
    Erster war auf gewissenhafte Art sonderbar.
    »Es ist nicht deine Idee?«, fragte Fred Colon.
    Erster blickte auf seine Füße. »Der neue Dekan ist ein wenig, äh,
    neu«, sagte er. »Du weißt schon… eifrig. Sorgt für Veränderungen.«
    »Hast du ihm erklärt, warum die Gräber nicht angerührt werden
    dürfen?«, fragte Nobby.
    »Er meinte, das sei alles längst Geschichte«, entgegnete Erster. »Seiner
    Ansicht nach

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