Die Nachtwächter
Schrittes.
Zu seiner Überraschung hielten sich die Männer noch immer auf dem
Hof auf. Jemand hatte sogar die Schwertkampfgruppen aufgestel t, die
sicherlich hilfreich waren, fal s es die Männer einmal mit Gegnern zu
tun bekamen, die keine Arme hatten und an einem Pfosten
festgebunden waren.
Mumm ging die Treppe hinauf. Oben stand die Tür offen, und er sah,
dass der neue Hauptmann den Schreibtisch so aufgestel t hatte, dass er
zum Treppenabsatz und nach unten sehen konnte. Kein gutes Zeichen.
Gewiss kein gutes Zeichen. Der Hauptmann sol te nicht sehen, was
geschah, sondern sich die Ereignisse von seinen Feldwebeln schildern
lassen. Auf diese Weise liefen die Dinge glatt.
Dieser Mann schien eifrig zu sein. Lieber Himmel…
Der neue Hauptmann sah auf. Das hat mir gerade noch gefehlt,
dachte Mumm. Der verdammte Rust! Der Ehrenwerte Ronald Rust,
Geschenk der Götter für den Feind, für jeden beliebigen Feind, und
eine lebende Aufforderung zur Fahnenflucht.
Die Familie Rust hatte große Soldaten hervorgebracht, nach den
anspruchslosen Richtlinien der »Ziehe unsere Verluste von denen des
Feindes ab, und wenn das Resultat positiv ist, haben wir einen
glorreichen Sieg errungen«-Schule angewandter Kriegsführung.
Zu Rusts Mangel an militärischem Sachverstand gesellte sich die hohe
Meinung von seinem eigenen Talent, das er nur in negativen Mengen
besaß.
Beim letzten Mal war es nicht Rust gewesen. Mumm erinnerte sich
vage an einen anderen dummen Hauptmann. All diese kleinen
Veränderungen… worauf würden sie schließlich hinauslaufen?
Bestimmt ist er gerade erst zum Hauptmann befördert worden,
dachte Mumm. Wie viele Leben könnte ich retten, wenn ich ihm jetzt
rein zufällig den Kopf abschneide? Diese blauen Augen und der
dämliche gewellte Schnurrbart. Und es wird noch schlimmer.
»Bist du Keel?« Die Stimme war ein Bellen.
»Jaherr.«
»Ich habe vor einer Stunde die Anweisung gegeben, dass du zu mir
kommen sol st, Mann.«
»Jaherr. Aber ich war die ganze Nacht und auch am Morgen im
Dienst, und es gab viele Dinge, um die ich mich kümmern musste…«
»Ich erwarte, dass einem Befehl unverzüglich Folge geleistet wird,
Feldwebel.«
»Jaherr. Das erwarte ich ebenfalls. Und deshalb…«
»Disziplin beginnt oben, Feldwebel. Die Männer gehorchen dir, du
gehorchst mir, und ich gehorche meinen Vorgesetzten.«
»Freut mich, das zu hören, Herr.« Rusts Sinn für Höflichkeit war
ebenso gut ausgeprägt wie seine militärische Sachkenntnis.
»Was ist auf dem Hof los?«
Mumm segelte vor dem vorherrschenden Wind…
»Es geht darum, die Moral zu heben und Korpsgeist zu fördern,
Herr.«
… und traf auf ein Riff. Rust hob die Brauen.
»Warum?«, fragte er. »Die Aufgabe der Männer besteht darin, die
Anweisungen durchzuführen, die sie bekommen. Das gilt auch für dich.
Gegenseitiges Schulterklopfen gehört nicht zur Vereinbarung.«
»Ein bisschen Kameradschaft hilft bei der Arbeit, Herr. Meiner
Erfahrung nach.«
»Richtest du einen durchdringenden Blick auf mich, Keel?«
»Nein, Herr. Mein Gesichtsausdruck bringt ehrlichen Zweifel zum
Ausdruck, Herr. Der ›durchdringende Blick‹ kommt vier Stufen
darüber, gleich nach ›Ich sehe dich komisch an‹, Herr. Der militärische
Brauch gestattet Feldwebeln die Mimik bis hin zu…«
»Was bedeutet die kleine Krone über den Streifen, Mann?«
»Sie zeigt, dass ich kein gewöhnlicher Feldwebel bin, sondern
Oberfeldwebel, Herr.«
Der Hauptmann brummte und blickte auf die Papiere, die vor ihm
auf dem Schreibtisch lagen. »Lord Winder hat das außerordentliche
Gesuch erhalten, dich zum Leutnant zu befördern, Oberfeldwebel. Es
geht auf Hauptmann Schwung von der Sondergruppe Ankertaugasse
zurück. Und Seine Lordschaft hört auf Hauptmann Schwung. Und er
möchte, dass du zur Sondergruppe versetzt wirst. Ich persönlich halte
den Mann für verrückt.«
»Da stehe ich hundertprozentig hinter dir, Herr.«
»Du möchtest nicht Leutnant werden?«
»Nein, Herr. Nichts Halbes und nichts Ganzes, Herr«, sagte Mumm
und blickte dabei auf eine Stelle einige Zentimeter über Rusts Stirn.
»Was soll das heißen?«
»Weder das eine noch das andere, Herr.«
»Ach, du möchtest wohl Hauptmann sein, wie?«, fragte Rust und
lächelte böse.
»Neinherr. Ich möchte kein Offizier sein, Herr. Ich komme
durcheinander, wenn ich mehr als ein Messer und eine Gabel auf dem
Tisch sehe, Herr.«
»Nun, für mich hat es gewiss nicht den
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