Die Nachtwächter
diesem Raum stand ein großer Holzstuhl und neben dem Stuhl ein
Gestel . Der Stuhl war an den Boden genietet und mit breiten
Lederriemen versehen. In dem Gestell lagen Knüppel und Hämmer.
Das war die ganze Einrichtung in diesem Raum.
Der Boden war dunkel und klebrig. Eine Ablaufrinne führte durch
das ganze Zimmer zu einem Abfluss.
Bretter waren vor das kleine Fenster auf Straßenhöhe genagelt, denn
an einem solchen Ort war Licht nicht willkommen. Die Wände und
auch die Decke waren mit strohgefül ten Säcken gepolstert. Diese Säcke
hatte man sogar an die Tür genagelt. Es war eine gründliche Zelle. Nicht einmal Geräusche sol ten aus ihr entkommen.
Zwei Fackeln machten die Dunkelheit nur noch schmutziger. Mumm
hörte, wie sich Nimmernich hinter ihm übergab.
In einer sonderbaren Art von Traum schritt er über den Boden und
bückte sich, um etwas aufzuheben, das im Fackelschein glänzte. Ein
Zahn.
Er richtete sich wieder auf.
Auf der einen Seite bemerkte er eine geschlossene Holztür, auf der
anderen einen Durchgang, der mit ziemlicher Sicherheit zu den Zel en
führte. Mumm nahm eine Fackel aus der Halterung, reichte sie Sam und
deutete in den Durchgang…
Das Geräusch von Schritten, begleitet vom Klirren eines
Schlüsselbunds, näherte sich der Holztür, und darunter wurde Licht
heller.
Das Tier spannte die Muskeln.
Mumm zog den größten Knüppel aus dem Gestel und machte einen
Schritt zur Wand neben der Tür. Jemand kam, jemand, der diesen
Raum kannte, jemand, der sich für einen Polizisten hielt…
Er schloss beide Hände um den Griff des Knüppels, hob ihn…
Er blickte durch den Raum und stellte fest, dass der junge Sam ihn
beobachtete, der junge Sam mit seiner glänzenden Dienstmarke und
einem… seltsamen Gesichtsausdruck.
Mumm ließ den Knüppel sinken, lehnte ihn behutsam an die Wand
und holte seinen ledernen Totschläger hervor.
Das Tier verstand nicht ganz, als es gefesselt in die Nacht zurückgezerrt wurde…
Ein Mann trat durch die Tür, pfiff leise vor sich hin, kam einige
Schritte weit in den Raum, sah den jungen Sam, öffnete den Mund und
verlor das Bewusstsein. Der Bursche war recht kräftig gebaut und fiel
schwer auf den Boden. Er trug eine lederne Kapuze über dem Kopf
und war bis zur Taille nackt. Ein großer Ring mit Schlüsseln hing an
seinem Gürtel.
Mumm huschte durch den Korridor hinter der Tür und um eine
Ecke, erreichte ein kleines, hel erleuchtetes Zimmer und packte den
Mann, den er dort vorfand.
Er war wesentlich kleiner als der andere und unterdrückte einen
Schrei, als Mumm ihn vom Stuhl zerrte.
»Und was macht Papi den ganzen Tag bei der Arbeit, Freundchen?«, donnerte Mumm.
Der Mann schien ein Hellseher zu sein. Ein Blick in Mumms Augen
ließ ihn erkennen, wie kurz seine Zukunft sein konnte. »Ich bin nur der
Sekretär! Der Sekretär! Ich schreibe al es auf!«, protestierte der Mann
und hob einen Stift in dem verzweifelten Versuch, seine berufliche
Identität zu beweisen.
Mumm sah auf den Schreibtisch. Zirkel und andere Werkzeuge eines
Geometers lagen dort, Symbole für Schwungs wahnsinnige Vernunft,
außerdem Bücher und Mappen, vol gestopft mit Unterlagen. Und ein
Lineal aus Metal , einen Meter, lag an. Mumm griff danach und schlug
es auf den Tisch. Der schwere Stahl erzeugte ein sehr
zufriedenstellendes Geräusch.
»Und?«, fragte Mumm, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von dem
des zappelnden Mannes entfernt.
»Und ich messe die Leute! So will es der Hauptmann! Ich messe nur!
Ich habe nichts Unrechtes getan! Ich bin kein schlechter Mensch!«
Wieder schlug das Lineal auf den Schreibtisch. Diesmal hatte Mumm
es gedreht, und die stählerne Kante bohrte sich ins Holz.
»Möchtest du, dass ich dich verdresche?«, knurrte er.
Der kleine Mann rol te mit den Augen. »Bitte nicht!«
»Gibt es noch einen anderen Ausgang?« Mumm ließ das Lineal noch
einmal auf den Schreibtisch klatschen.
Ein kurzer Blick, Hinweis genug. Mumm bemerkte eine Tür, fast
verborgen in der Holzvertäfelung.
»Gut. Wo kommt man da heraus?«
»Äh…«
Mumm war jetzt Nase an Nase mit dem Mann, der ihm, im
Sprachgebrauch der Polizei, bei den Ermittlungen half.
»Du bist hier ganz allein«, sagte Mumm. »Du hast hier keine Freunde.
Du hast hier gesessen und Dinge für einen Folterer aufgeschrieben, für
einen verdammten Folterer! Und ich sehe hier einen Schreibtisch, und
er hat eine Schublade, und wenn du jemals wieder einen Stift in
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