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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wird einen vernünftigen Preis für seine Schuhe bezahlen, und
    du machst dich nicht mehr schuldig, vom Schweiß des einfachen
    Arbeiters zu leben«, sagte Reg. »So, könnten wir jetzt…«
    »Meinst du die Kühe?«
    »Was?«
    »Nun, da wären nur die Kühe und die Jungs von der Gerberei, und
    ehrlich gesagt, sie stehen nur den ganzen Tag auf der Wiese, natürlich
    nicht die Jungs von der Gerberei, aber…«
    »Hör mal«, sagte Reg, »alles wird dem Volk gehören, und dann sind
    alle viel besser dran, verstehst du?«
    Die Falten fraßen sich tiefer in die Stirn des Schuhmachers. Er war
    nicht sicher, ob er zum Volk gehörte.
    »Ich dachte, wir wol ten nur verhindern, dass Soldaten und Pöbel und
    so durch unsere Straße kommen«, meinte er.
    Reg wirkte geplagt und zog sich in die Sicherheit zurück. »Wir können
    uns doch wenigstens auf Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit einigen,
    oder?«
    Köpfe nickten. Damit waren al e einverstanden. Solche Dinge
    kosteten nichts.
    Ein Streichholz flammte in der Dunkelheit auf. Die Leute drehten
    sich um und sahen, wie sich Mumm eine Zigarre anzündete. »Dir
    gefallen Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit, nicht wahr, Genosse
    Oberfeldwebel?«, fragte Reg ermutigend.
    »Ich mag ein hart gekochtes Ei«, sagte Mumm und löschte das
    Streichholz, indem er es schüttelte.
    Nervöses Gelächter erklang. Reg wirkte beleidigt.
    »Angesichts der besonderen Umstände sol ten wir nach mehr streben,
    Oberfeldwebel.«
    »Nun, ja, das könnten wir«, sagte Mumm und trat die Stufen hinunter.
    Er blickte auf die vielen Papiere, die vor Reg lagen. Der junge Mann
    bemühte sich. Ja, er bemühte sich wirklich. Und er meinte es ernst. Er
    meinte es tatsächlich ernst. »Aber, Reg, morgen früh geht die Sonne
    auf, und was auch immer bis dahin geschehen ist: Ich bin ziemlich
    sicher, dass wir keine Freiheit gefunden haben, und vermutlich gibt es
    auch nicht viel Gerechtigkeit, und ich bin fest davon überzeugt, dass von Wahrheit jede Spur fehlt. Aber viel eicht bekomme ich ein hart
    gekochtes Ei. Was hat dies alles zu bedeuten, Reg?«
    »Wir sind die Volksrepublik der Sirupminenstraße!«, verkündete Reg
    stolz. »Wir bilden gerade eine Regierung!«
    »Oh, gut«, sagte Mumm. »Noch eine. Genau das brauchen wir. Weiß
    jemand, was aus den verdammten Barrikaden geworden ist?«
    »Hal o, Herr Keel«, ertönte eine klebrige Stimme.
    Mumm senkte den Blick und sah Nobby Nobbs. Der Bengel trug
    noch immer die alte, viel zu große Anzugjacke und jetzt einen ebenfal s
    zu großen Helm.
    »Wie bist du hierher gekommen, Nobby?«
    »Meine Mutter hält mich für tückisch«, erwiderte Nobby und lächelte.
    Ein Ziehharmonikaärmel hob sich dem Kopf entgegen, und Mumm
    begriff, dass der Junge zu salutieren versuchte.
    »Sie hat Recht«, sagte Mumm. »Also, wo…«
    »Ich bin jetzt Untergefreiter, Oberfeldwebel«, verkündete Nobby.
    »Das hat Herr Colon gesagt. Er hat mir einen Helm gegeben. Ich
    schnitze mir eine Dienstmarke aus… Wie heißt das Zeug? Weich wie
    Wachs, wie das Zeug, aus dem Kerzen sind, aber man kann’s nicht
    essen…«
    »Seife, Nobby Merk dir das Wort.«
    »In Ordnung, Oberfeldwebel. Ich schnitze mir eine Dienstmarke
    aus…«
    »Wohin sind die Barrikaden verschwunden, Nobby?«
    »Das kostet dich…«
    »Ich bin dein Vorgesetzter, Nobby. Wir stehen in keiner finanziellen Beziehung mehr. Sag mir, wo die verdammten Barrikaden sind!«
    »Äh… wahrscheinlich nicht weit von der Kurzen Straße entfernt,
    Oberfeldwebel. Es ist alles ein bisschen… metaphysisch,
    Oberfeldwebel.«

    Major Sitzgut-Stehschnell starrte auf die vor ihm liegende Karte und
    suchte nach Trost. An diesem Abend war er der rangälteste Offizier im
    Einsatzgebiet. Die Kommandeure hatten den Palast aufgesucht, um
    dort an einer Feier oder dergleichen teilzunehmen. Die Verantwortung
    lastete auf ihm.
    Mumm hatte eingeräumt, dass es in den Regimentern der Stadt
    durchaus einige Offiziere gab, die keine Narren waren. Je höher der
    Dienstgrad, desto weniger wurden es, aber ob es nun Zufal war oder
    nicht: Jede Streitmacht braucht an wichtigen, wenn auch ruhmlosen
    Positionen Männer, die vernünftig denken, Listen führen, sich um
    Proviant und den Tross kümmern und deren Konzentrationsvermögen
    das einer Ente übersteigt. Sie sorgen dafür, dass al es mehr oder weniger
    reibungslos läuft, was dem befehlshabenden Offizier Gelegenheit gibt,
    sich höheren Dingen zu widmen.
    Der Major war kein Narr, auch wenn er wie einer

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