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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aussah. Er war
    Idealist und hielt seine Männer für »prächtige Burschen«, trotz der
    gelegentlichen Beweise für das Gegenteil, und er war bemüht, aus seiner
    bescheidenen Intelligenz das Beste zu machen. Als Junge hatte er
    Bücher über große Feldzüge gelesen, Museen besucht und sich mit
    patriotischem Stolz Bilder berühmter Kavallerie-Angriffe, heldenhaften
    Widerstands und glorreicher Siege angesehen. Es war ein Schock für
    ihn, als er später selbst an solchen Dingen teilnahm und erfahren
    musste, dass die Maler die Eingeweide weggelassen hatten. Vielleicht
    waren sie nicht gut genug gewesen, solche Dinge darzustel en.
    Der Major verabscheute die Karte, denn sie zeigte die Stadt. Bei den
    Göttern: Eine Stadt war einfach nicht der richtige Ort für die
    Kavallerie! Natürlich hatte es Verluste unter seinen Männern gegeben,
    darunter drei Todesfäl e. Selbst ein Kavalleriehelm schützte kaum gegen
    einen ballistischen Kopfstein. Und bei den Tollen Schwestern war ein
    Reiter vom Pferd gezerrt und erschlagen worden. Das war tragisch und
    schrecklich und leider auch unvermeidlich, seit Narren beschlossen
    hatten, in einer Stadt mit so vielen engen Gassen wie Ankh-Morpork
    die Kavallerie einzusetzen.
    Der Major hielt seine Vorgesetzten natürlich nicht für Narren – dann
    hätte er auch al e, die ihre Befehle befolgten, für Narren halten müssen.
    Er gebrauchte in diesem Zusammenhang den Begriff »unklug«, und
    auch den nur mit Unbehagen.
    Was die übrigen Verluste betraf… Drei Kaval eristen hatten das
    Bewusstsein verloren, als sie gegen hängende Ladenschilder gepral t
    waren, während sie… Leute verfolgt hatten – wie sol te man in Rauch
    und Dunkelheit feststel en, wer der Feind war? Die Idioten hatten
    offenbar angenommen, dass al e, die wegliefen, zu den Feinden zählten.
    Und diese Schwachköpfe konnten noch von Glück sagen, denn andere
    Männer ritten durch dunkle Gassen, die sich hin und her wanden, dabei
    immer schmaler wurden, und dann merkten diese Männer, dass es um
    sie herum völlig still geworden war und dass sich ihre Pferde nicht mehr
    umdrehen konnten, und dann fanden sie heraus, wie schnel man in
    Reiterstiefeln laufen kann.
    Der Major fasste die Berichte zusammen. Knochenbrüche,
    Quetschungen, ein Mann, der einen »freundlichen Stich« vom Säbel
    eines Kameraden abbekommen hatte…
    Er blickte über den behelfsmäßigen Tisch und sah Hauptmann
    Thomas Wrangel von Lord Selachiis Leichter Infanterie an, der den
    Blick von seinen eigenen Papieren hob und schief lächelte. Sie waren
    gemeinsam zur Schule gegangen, und der Major wusste, dass Wrangel
    mehr Grips hatte.
    »Wie sieht’s bei dir aus, Thomas?«, fragte der Major.
    »Wir haben fast achtzig Männer verloren«, erwiderte der Hauptmann.
    »Was? Das ist schrecklich!«
    »Etwa sechzig von ihnen sind Deserteure, soweit ich das feststellen
    kann. Typisch für ein Durcheinander dieser Art. Einige von ihnen
    haben vermutlich nur die Gelegenheit genutzt, zu Hause
    vorbeizuschauen.«
    »Oh, Deserteure. Wir hatten ebenfal s einige. In der Kavallerie! Wie würdest du jemanden nennen, der sein Pferd zurücklässt?«
    »Einen Infanteristen. Was die übrigen betrifft… Ich glaube, nur sechs
    oder sieben sind tatsächlich dem Feind begegnet. Zum Beispiel wurden
    drei Männer in einer Gasse niedergestochen.«
    »Für mich klingt das eindeutig nach Feind.«
    »Ja, Stefan. Aber du bist in Quirm geboren.«
    »Nur weil meine Mutter ihre Tante besuchte und sich die Kutsche
    verspätete!«, erwiderte der Major und errötete. »Wenn du mich
    aufschneidest, wirst du feststel en, dass Ankh-Morpork auf meinem
    Herz geschrieben steht!«
    »Wirklich? Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt«, sagte Thomas. »In
    einer dunklen Gasse ermordet zu werden – das gehört einfach zum
    Leben in dieser Stadt.«
    »Aber die Männer waren bewaffnet! Sie trugen Schwerter und
    Helme…«
    »Wertvol e Beute, Stefan.«
    »Aber ich dachte, die Stadtwache hätte sich um die Banden
    gekümmert…«
    Thomas sah seinen Freund über den Tisch hinweg an.
    »Willst du vielleicht vorschlagen, dass wir um Polizeischutz bitten
    sol en? Außerdem gibt es gar keine Polizei mehr, zumindest nicht in
    dem Sinne. Einige Wächter sind auf unserer Seite, obwohl sie uns sicher
    nicht viel nützen. Die anderen sind entweder zusammengeschlagen
    worden oder weggelaufen.«
    »Weitere Deserteure?«
    »Um ehrlich zu sein, Stefan: Die Leute verschwinden so schnel , dass
    wir uns morgen

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