Die Nachtwächter
sehe«,
sagte Schnappüber.
»Freut mich, Herr«, kam es glatt über die Lippen des Sekretärs.
»So manch grober Stein kann zu einem Edelstein geschliffen werden.«
»In der Tat, Exzel enz«, sagte der Sekretär. Und er dachte auch In der
Tat, Exzellenz, denn er wusste, dass es Dinge gab, die man besser nicht dachte, wie zum Beispiel Was für ein Idiot.
»Wo ist der neue Hauptmann der Wache?«
»Ich glaube, Hauptmann Carcer weilt auf dem Hinterhof und ermahnt
die Männer, wobei er sich sehr klar ausdrückt.«
»Richte ihm aus, dass ich ihn unverzüglich sprechen möchte«, sagte Schnappüber.
»Gewiss, Herr.«
Es dauerte eine Weile, die Barrikade zu beseitigen. Stuhlbeine, Bretter,
Bettgestelle, Türen und Balken bildeten eine dichte, miteinander
verwobene Masse. Da jedes Stück jemandem gehörte und die
Bewohner von Ankh-Morpork sehr auf ihr Eigentum achteten, ging die
Demontage mit einem kol ektiven Streit einher. Wer dem gemeinsamen
Anliegen einen dreibeinigen Stuhl gestiftet hatte, versuchte nun,
mehrere Esszimmerstühle fortzutragen.
Und dann der Verkehr. Wagen, die außerhalb der Stadt angehalten
worden waren, brachen jetzt auf, um ihren Bestimmungsort zu
erreichen, bevor Küken aus Eiern schlüpften oder Milch so verdorben
war, dass sie aufstehen und den Rest des Wegs al ein gehen konnte.
Man konnte es folgendermaßen beschreiben: Wenn der Verkehr in
Ankh-Morpork ein Körper gewesen wäre, hätte er einen Infarkt erlitten.
Feldwebel Colon drückte es so aus: »Man kommt nicht mehr voran,
weil alle anderen vorankommen wol en.« Was durchaus den Kern der
Sache traf.
Einige Wächter halfen beim Abbau der Barrikade, hauptsächlich
deshalb, um bei den vielen Streitereien über Eigentumsrechte
einzugreifen. Doch eine Gruppe von ihnen hatte sich am Ende der
Heldenstraße eingefunden, wo Schnauzi Kakao ausschenkte. Eigentlich
gab es nicht viel zu tun. Vor einigen Stunden hatten sie gekämpft, und
jetzt herrschte auf den Straßen solches Gedränge, dass nicht einmal
Streifengänge möglich waren. Jeder gute Polizist wusste, dass es
manchmal besser war, niemandem im Weg zu sein, und die
Konversation drehte sich um die üblichen Fragen, die auf einen Sieg
folgen: 1) Gibt es mehr Geld? 2) Bekommen wir Medaillen? 3) Geraten
wir deswegen in Schwierigkeiten? Diese letzte Frage lag in den
Überlegungen eines Wächters stets auf der Lauer.
»Eine Amnestie bedeutet, dass wir nichts zu befürchten haben«, sagte
Dickins. »Sie bedeutet, alle tun so, als wäre gar nichts geschehen.«
»Na schön«, brummte Wiggel. »Bekommen wir Medaillen? Ich meine,
wenn wir…« Er konzentrierte sich. »… cou-ra-schierte Verteidiger der
Freiheit gewesen sind – das klingt ganz nach Medaillen, wenn ihr mich
fragt.«
»Ich schätze, wir hätten einfach die ganze Stadt verbarrikadieren
sollen«, sagte Colon.
»Ja, Fred«, erwiderte Schnauzi. »Aber dann wären die bösen Buben,
hnah, bei uns gewesen.«
»Mag sein«, räumte Fred ein. »Aber wir hätten das Sagen gehabt.«
Feldwebel Dickins paffte seine Pfeife. »Ihr quasselt nur, Jungs. Es war
Krieg, und hier sitzt ihr, mit allen euren Armen und Beinen, im
Sonnenschein der Götter. Das bedeutet es zu siegen. Ihr habt gesiegt,
kapiert? Der Rest ist nur Zugabe.«
Eine Zeit lang schwiegen die Wächter, und dann sagte der junge Sam:
»Aber Nimmernich hat nicht gesiegt.«
»Wir haben insgesamt fünf Männer verloren«, sagte Dickins. »Zwei
wurden von Pfeilen getroffen. Einer ist von der Barrikade gefal en, und
ein anderer hat sich versehentlich selbst die Kehle durchgeschnitten. So
was passiert.«
Die anderen starrten ihn groß an.
»Oh, das überrascht euch?«, fragte Dickins. »Viele aufgebrachte Leute
an einem Ort, scharfkantige Waffen, Gedränge – unter solchen
Voraussetzungen muss es zu Zwischenfäl en kommen. Ihr würdet euch
über die Verluste wundern, zu denen es selbst fünfzig Meilen vom
Feind entfernt kommen kann. Menschen sterben.«
»Hatte Nimmernich eine Mutter?«, fragte Sam.
»Er wuchs bei seiner Oma auf, aber die ist tot«, sagte Wiggel.
»Gibt es keine Verwandten?«
»Weiß nicht«, erwiderte Wiggel. »Er hat nie darüber geredet. War
ohnehin recht schweigsam.«
»Macht eine Sammlung!«, sagte Dickins mit fester Stimme. »Für
Kranz, Sarg und so weiter. Überlasst das niemand anderem! Und noch
etwas…«
Mumm saß ein wenig abseits und beobachtete die Straße. Überal
standen Gruppen aus früheren
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