Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Quacksalber, wenn ihr mich fragt…«
    »… das alte Steingesicht wil ihn mit Gold überhäufen, wenn er Erfolg hat…«
    »Und wenn er keinen Erfolg hat?«
    Mumm zog seine Straßenuniform an und brachte dabei langsam alle
    Gliedmaßen in Position. Er kämmte sich das Haar. Er trat in den Flur.
    Er nahm auf einem unbequemen Stuhl Platz, saß dort mit dem Helm
    auf den Knien, während sowohl lebende als auch tote Phantome ihn
    umschwärmten.
    Normalerweise – immer – gab es einen Teil von Mumm, der die
    anderen Teile beobachtete, denn im Grunde seines Wesens war er
    Polizist. Diesmal leistete dieser Teil dem Rest Gesellschaft, starrte
    ebenfal s ins Leere und wartete.
    »… jemand sol ihm noch mehr Handtücher bringen…«
    »… jetzt hat er um einen großen Brandy gebeten!«
    »… er möchte mit Herrn Mumm sprechen!«
    Mumms mentales Universum erhel te sich mit dem Licht, das bis
    dahin auf einem sehr elementaren Niveau geglüht hatte. Er ging die
    Treppe hinauf, den Helm unterm Arm, wie ein Mann, der sich
    anschickt, eine Erklärung entgegenzunehmen. Oben klopfte er an die
    Tür.
    Rasen öffnete. In der anderen Hand hielt er ein Brandyglas, lächelte
    und trat beiseite.
    Sybil saß im Bett. Durch den Nebel der Erschöpfung sah Mumm,
    dass sie etwas in einem Schultertuch hielt.
    »Er heißt Sam, Sam«, sagte sie. »Und keine Widerrede!« Die Sonne
    ging auf.
    »Ich bringe ihm das Laufen bei!«, strahlte Mumm. »Ich verstehe mich
    gut darauf, Leuten das Laufen beizubringen!« Er schlief, bevor er auf den Teppich fiel.

    Es war ein angenehmer Spaziergang am frühen Abend. Zigarrenrauch
    folgte Mumm, als er zur Wache am Pseudopolisplatz ging, wo er
    Glückwünsche entgegennahm und den Leuten für die prächtigen
    Blumen dankte.
    Anschließend führte ihn seine Wanderung zu Doktor Rasens Haus,
    wo er eine Zeit lang über Dinge wie das Gedächtnis sprach und wie es
    einen täuschen konnte und über Vergesslichkeit, die sich manchmal
    sehr lohnte.
    Dann ging er mit dem Doktor zur Bank. Deren Bereitschaft, in
    diesem besonderen Fal außerhalb der normalen Zeiten zu öffnen, war
    keine Überraschung. Immerhin handelte es sich um den Herzog, den
    reichsten Mann in der Stadt und den Kommandeur der Wache, der –
    und diesem Punkt kam keine geringe Bedeutung zu – die Tür
    eingetreten hätte, wäre sie nicht geöffnet worden. Dort übertrug er
    einem gewissen Dr. M. Rasen hunderttausend Ankh-Morpork-Dollar
    und ein großes Eckhaus am Gänsetor.
    Und dann, al ein, ging er zum Friedhof beim Tempel der Geringen
    Götter. Was auch immer seine persönlichen Gefühle sein mochten:
    Erster Ehelicher hatte an diesem Abend das Tor offen gelassen und alle
    Lampen angezündet.
    Mumm schritt über den moosbewachsenen Kies. Im Zwielicht
    schienen die Fliederblüten zu leuchten. Ihr Duft hing wie Nebel in der
    Luft.
    Er ging durch das Gras, erreichte das Grab von John Keel, nahm auf
    dem Stein Platz und achtete darauf, die Kränze nicht zu verrücken –
    der Feldwebel beziehungsweise Oberfeldwebel hätte sicher verstanden,
    dass ein Polizist manchmal seine Beine entlasten musste. Und er
    rauchte seine Zigarre zu Ende und beobachtete den Sonnenuntergang.
    Nach einer Weile hörte er kratzende Geräusche auf der linken Seite
    und sah, dass der Boden eines der Gräber nachgab. Eine graue Hand
    kam nach oben und hielt eine Schaufel. Einige Erdbrocken wurden
    beiseite geschoben, und dann stieg Reg Schuh aus seinem Grab. Er
    hatte es halb verlassen, als er Mumm bemerkte, und fast wäre er
    zurückgefallen.
    »Meine Güte, du hast mich zu Tode erschreckt, Herr Mumm!«
    »Entschuldige, Reg«, sagte Mumm.
    »Nun, wenn ich ›zu Tode erschreckt‹ sage, so meine ich natürlich…«
    »Ich weiß, Reg. Ziemlich ruhig dort unten, nicht wahr?«
    »Sehr friedlich, Herr, sehr friedlich. Ich schätze, bis zum nächsten
    Jahr besorge ich mir einen neuen Sarg. Sie halten nicht mehr so lange
    wie früher.«
    »Ich glaube, in diesem Punkt legen nur wenige Personen Wert auf
    Haltbarkeit, Reg«, sagte Mumm.
    Reg Schuh schaufelte die Erde zurück. »Ich weiß, dass es al e für
    seltsam halten, aber ich denke, ich bin es ihnen schuldig«, sagte er. »Es
    ist nur ein Tag im Jahr und meine… Solidarität.«
    »Mit den unterdrückten Massen?«, fragte Mumm.
    »Wie bitte, Herr?«
    »Schon gut, Reg«, sagte Mumm froh. Dies war ein perfekter Moment.
    Nicht einmal Reg, der auf seinem Grab den Boden glättete und
    Rasensoden zurechtrückte, konnte ihn

Weitere Kostenlose Bücher