Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
ruinieren.
    Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du zurücksiehst und in
    al em einen Sinn erkennen kannst, hatte Kehrer gesagt. Ein perfekter
    Moment.
    Die Personen, die in diesen Gräbern lagen, waren für etwas
    gestorben. Im Glühen der Abenddämmerung, im Licht des
    aufgehenden Mondes, im Aroma der Zigarre und in der Wärme, die aus
    völ iger Erschöpfung kommt, erkannte Mumm den Sinn.
    Die Geschichte findet einen Weg. Das Wesen der Ereignisse
    veränderte sich, nicht aber das Wesen der Toten. Ein gemeiner,
    schändlicher Kampf hatte ihr Leben beendet, eine kleine, fleckige
    Fußnote in der Geschichte, aber es waren keine gemeinen oder
    schändlichen Männer gewesen. Sie hatten nicht das Weite gesucht,
    obwohl ihnen eine ehrenvolle Flucht möglich gewesen wäre. Sie waren
    geblieben, und Mumm fragte sich, ob sie ihren Weg so klar gesehen
    hatten wie er jetzt. Sie waren nicht etwa deshalb geblieben, weil sie
    Helden sein wollten, sondern weil sie es für ihre Aufgabe hielten, und
    man musste sich der Aufgabe stellen, die man vor sich sah…
    »Ich gehe jetzt, Herr«, sagte Reg und legte sich die Schaufel über die
    Schulter. Er schien weit weg zu sein. »Herr?«
    »Ja, gut. In Ordnung, Reg. Danke«, murmelte Mumm, und im
    rosaroten Glühen des Moments beobachtete er, wie der Korporal über
    den dunkler werdenden Pfad in die Stadt ging.
    John Keel, Billy Wiggel, Horatio Nimmernich, Dai Dickins, Klaus
    »Schnauzi« Klappmann, Ned Coates und Reg Schuh, streng genommen.
    Vermutlich gab es in ganz Ankh-Morpork nicht mehr als zwanzig
    Personen, die al e Namen kannten, denn nirgends standen Statuen oder
    Denkmäler, und es war auch nichts aufgeschrieben. Man musste dabei
    gewesen sein.
    Mumm empfand es als Privileg, zweimal dabei gewesen zu sein. Die
    Nacht zog herauf. Sie entfaltete sich aus den Schatten, wo sie sich vor
    dem Tag versteckt hatte, und ihre einzelnen Ausläufer flossen
    zusammen, vereinten sich miteinander. Mumm spürte, wie sich seine
    Sinne mit ihr ausbreiteten, den Schnurrhaaren einer großen, dunklen
    Katze gleich.
    Hinter dem Tor des Friedhofs wurden die Geräusche von Ankh-
    Morpork ein wenig leiser, obgleich die Stadt nie wirklich schlief.
    Vermutlich scherte sie sich nicht darum.
    In seiner besonderen Stimmung gewann Mumm den Eindruck, al es
    zu hören, wirklich al es, so wie bei dem schrecklichen Moment in der Heldenstraße, als die Geschichte kam, um Anspruch auf das zu
    erheben, was ihr gehörte. Er vernahm die leisen Geräusche der Mauer,
    als sie sich abkühlte, von rutschender Erde in Reg Schuhs leerem Grab,
    vom Gras, das sich bewegte… Tausend subtile Geräusche wurden zu
    einer üppig strukturierten, örtlich begrenzten Stille. Es war das Lied der
    Dunkelheit, und darin, am Rand der Wahrnehmung, ertönte ein
    Missklang.
    Mal sehen… Er hatte Wächter bei seinem Haus zurückgelassen,
    ausgezeichnete Leute, die nicht herumstanden und sich langweilten,
    sondern die ganze Nacht wachsam bleiben würden. Ein Hinweis darauf,
    wie wichtig das war, hatte sich erübrigt. Er konnte also davon ausgehen,
    dass daheim keine Gefahr drohte. Und bei den Wachhäusern waren die
    Wachen verdoppelt worden…
    Mit Keels Grab stimmte etwas nicht. Immer lag das Ei dort, jedes
    Jahr, ein kleiner Scherz der Geschichte. Aber jetzt schienen nur mehr
    Eierschalen übrig zu sein…
    Mumm beugte sich vor, um genauer hinzusehen, und die Klinge
    sauste über seinen Kopf hinweg.
    Das Tier war bereit gewesen. Es dachte nicht an Wächter und
    Vorsichtsmaßnahmen. Das Tier dachte überhaupt nicht. Es schnüffelte
    immer, spähte in die Schatten, erkundete die Nacht und hatte Mumms
    Hand in die Hosentasche geschickt, noch bevor das Schwert durch die
    Luft zischte.
    Geduckt drehte er sich und rammte Carcer einen von Frau Gutleibs
    besten Artikeln gegen das Knie. Er hörte, wie es knackte, sprang hoch
    und riss seinen Gegner zu Boden.
    Hier gab es keine Wissenschaft. Das Tier war von der Kette und
    wol te töten. Es geschah nicht oft, dass Mumm glaubte, die Welt
    verbessern zu können, doch diesmal hatte er nicht den geringsten
    Zweifel. Jetzt war alles sehr klar.
    Und schwierig. Das Schwert war ins Gras gefallen, als Carcer zu
    Boden ging, aber der Bursche setzte sich zur Wehr und erwies sich als
    sehr zäh. Und es ist schwer, jemanden mit den Händen zu töten, der
    nicht getötet werden will.
    Mumm schüttelte den Schlagring aus Messing ab, der ihn bei dem
    Versuch behinderte, seinen Widersacher zu erdrosseln. Doch es

Weitere Kostenlose Bücher