Die Nachtwächter
Häkelarbeiten!«
»… und offenbar einige Partygäste. Na ja.« Schwung trat zurück.
»Sind echte Schlingel, deine Streifenpolizisten. Sie haben die Straßen gesäubert. Erlauben sich gern… einen kleinen Scherz.« Schwung
streckte die Hand nach dem Griff der Klappe aus, und dann erklang ein
leises Geräusch, das in der Stille so laut war wie der Donner eines
Gewitters. Es war das Geräusch eines Schwerts, das sich in seiner
Scheide bewegte.
Ein oder zwei Sekunden stand Schwung völlig reglos, dann schob er
sich langsam die Tablette in den Mund. »Aha. Ich glaube, auf diesen
kleinen Fang… können wir verzichten, meinst du nicht auch? Wir
wol en… dasGesetz doch nicht zum Gespött machen. Bring die Leute
fort, bring sie fort.«
»Ja, Herr.«
»Aber einen Moment noch. Wenn dugestattest… es ist ein kleines
Hobby von mir…«
»Herr?«
Schwung griff in eine Tasche seines langen Mantels und holte einen
großen Greifzirkel hervor. Mumm zuckte zusammen, als Schwung das
Ding öffnete und damit die Breite seines Kopfes, die Breite der Nase
und die Länge der Augenbrauen maß. Anschließend hielt er ihm ein
metallenes Lineal ans Ohr.
Schwung murmelte dabei leise vor sich hin, ließ den Greifzirkel dann
zuschnappen und wieder in der Manteltasche verschwinden. »Ich muss
dirgratulieren, Feldwebel«, sagte er.
»Oberfeldwebel, Herr.«
»Oberfeldwebel, meinetwegen. Ja, ich muss dir dazu gratulieren, dass
es dir gelungen ist, deine beträchtliche natürliche Benachteiligung zu
überwinden. Wusstest du, dass du die Augen eines Massenmörders
hast? Was dieseDinge… betrifft, irre ich mich nie.«
»Nein, Herr. Das wusste ich nicht, Herr. Werde versuchen, sie
geschlossen zu halten, Herr«, sagte Mumm. Schwung lächelte nicht.
»Nun, wenn du dich eingewöhnt hast, kommst du mit Korporal, aha,
Hamster hier bestimmt… bestenszurecht.«
»Bestens zurecht. Ja, Herr.«
»Ichmöchte… dich nicht länger aufhalten, Oberfeldwebel Keel.«
Mumm salutierte. Schwung nickte, drehte sich gleichzeitig um – es
sah aus, als wäre er an einem Drehgelenk befestigt – und schritt zum
Wachhaus zurück. Besser gesagt: Er ruckelte dorthin. Der Mann
bewegte sich ebenso wie er sprach, mit einer sonderbaren Mischung
unterschiedlicher Geschwindigkeiten, als würde er von Federn
angetrieben. Wenn er die Hand hob, waren die ersten Zentimeter der
Bewegung nur ein Schemen, und dann näherte sie sich langsam ihrem
Ziel. Sätze kamen in Form von Wortschwal en und Pausen über seine
Lippen. Der Mann hatte überhaupt keinen Rhythmus.
Mumm schenkte dem zornigen Korporal keine Beachtung und stieg
wieder auf den Wagen. »Wir kehren zurück, Gefreiter«, sagte er. »Gute
Nacht, Heini.«
Sam drehte den Wagen und wartete, bis die Räder wieder über das
Kopfsteinpflaster rol ten, bevor er sich an Mumm wandte und ihn aus
großen Augen ansah.
»Du wol test das Schwert ziehen, Oberfeldwebel?«, fragte er. »Das
stimmt doch, oder?«
»Du solltest besser die Straße im Auge behalten, Gefreiter.«
»Aber das war Hauptmann Schwung! Und als du von dem Mann
einen Beweis dafür verlangt hast, dass er Heini der Hamster ist… Ich
hätte mir fast in die Hose gepi… Ich wäre fast von der Sitzbank
gefallen! Du hast gewusst, dass sie nicht unterschreiben würden,
stimmt’s, Oberfeldwebel? Denn wenn es ein Stück Papier gibt, auf dem
geschrieben steht, dass sie jemanden haben, und wenn dann jemand
Nachforschungen anstellt…«
»Lenk den Wagen, Gefreiter!« Aber der Junge hatte Recht. Aus
irgendeinem Grund liebten und fürchteten die Unaussprechlichen den
Papierkram. Zweifel os schufen sie eine Menge davon. Sie schrieben
al es auf. Aber es gefiel ihnen nicht, in den Papieren anderer Leute
aufzutauchen. So etwas beunruhigte sie.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass wir damit durchgekommen
sind, Oberfeldwebel!«
Wahrscheinlich sind wir das auch nicht, dachte Mumm. Aber derzeit
hat Schwung sicher andere Sorgen. Ein großer dummer Oberfeldwebel
interessiert ihn kaum.
Er drehte sich um und klopfte ans Gitter.
»Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, meine Damen
und Herren, aber offenbar sind die Unaussprechlichen heute Abend
nicht im Dienst. Mir scheint, wir müssen uns selbst um die
Vernehmungen kümmern. Darin haben wir kaum Erfahrung, deshalb
hoffe ich, dass wir nichts falsch machen. Hört mir aufmerksam zu: Ist
jemand von euch ein gefährlicher Verschwörer, der die Regierung
stürzen
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