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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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will?«
    Im Innern des Wagens herrschte verblüffte Stille.
    »Na kommt schon, ich habe nicht die ganze Nacht Zeit«, sagte
    Mumm. »Möchte jemand von euch Lord Winder mit Gewalt stürzen?«
    »Äh… nein«, erklang die Stimme von Fräulein Palm.
    »Oder mit Häkelarbeiten?«
    »Das habe ich gehört !«, ertönte die scharfe Stimme einer anderen Frau.
    »Niemand? Schade.« Mumm seufzte. »Nun, für mich genügt das.
    Genügt es auch für dich, Gefreiter?«
    »Äh, ja, Oberfeldwebel.«
    »Nun, in dem Fall setzen wir euch auf dem Heimweg ab, und mein
    reizender Assistent Gefreiter Mumm wird von jedem von euch, sagen
    wir, einen halben Dollar für Reisespesen in Empfang nehmen, und
    natürlich bekommt ihr eine Quittung dafür. Danke, dass ihr mit uns gereist seid, und wir hoffen, dass ihr den Gefangenenwagen für al e
    weiteren Ausflüge während der Ausgangssperre wieder in Erwägung
    zieht.«
    Mumm hörte schockiertes Flüstern hinter sich. Heutzutage sol ten
    sich die Dinge nicht auf diese Weise zutragen. »Oberfeldwebel?«, fragte
    Gefreiter Mumm.
    »Ja?«
    »Hast du wirklich die Augen eines Massenmörders?«
    »In der Tasche meiner anderen Jacke, ja.«
    »Ha.« Sam schwieg einige Sekunden, und als er erneut sprach, schien
    ihn etwas anderes zu beschäftigen.
    »Äh, Oberfeldwebel?«
    »Ja, Junge?«
    »Was ist eine schnelle Nummer?«
    »Eine Art Marmeladenkrapfen, der sich besonders schnel zubereiten
    lässt.«
    »Verstehe. Äh, Oberfeldwebel?«
    »Ja, Junge?«
    »Ich glaube, es bedeutet noch etwas anderes, Oberfeldwebel«, sagte
    Sam und kicherte. »Etwas, äh, Anstößiges…«
    »Das ganze Leben ist ein einziger Lernprozess, Gefreiter.«
    Zehn Minuten später stel ten sie den Gefangenenwagen auf dem Hof
    des Wachhauses ab, und Mumm wusste, dass sich ein neues Gerücht in
    der Stadt ausbreitete. Sam hatte mit den anderen Wächtern geflüstert,
    als sie die Verhafteten nach Hause brachten, und niemand klatschte so
    gern wie Polizisten. Sie mochten die Unaussprechlichen nicht. Wie
    Kleinkriminel e überall waren die Wächter stolz darauf, dass es ein
    Niveau gab, auf das sie nicht hinabsanken. Es musste etwas unter einem
    geben, selbst wenn es nur Schlammwürmer waren.

    Rosie Palm verriegelte die Tür ihrer Wohnung, lehnte sich dagegen und
    sah Sandra an.
    »Was ist er?«, fragte Sandra und stel te ihren Nähkorb auf den Tisch.
    Etwas darin klapperte. »Ist er auf unserer Seite?«
    »Du hast die Jungs gehört!«, erwiderte Rosie scharf. »Keine
    Bestechungsgelder mehr! Und dann bringt er uns zu Schwungs
    Mistkerlen, und dann übergibt er uns nicht! Ich könnte ihn umbringen!
    Ich habe ihn in der Gosse aufgelesen und ihn von Moosig
    zusammenflicken lassen, und jetzt treibt er irgendwelche dummen
    Spielchen!«
    »Ja, aber was ist eine schnelle Nummer?«, fragte Sandra munter.
    Fräulein Palm zögerte. Sie mochte Sandra, und die zusätzliche Miete
    konnte sie gut gebrauchen, aber manchmal fragte sie sich, ob a) sie mit
    der jungen Dame reden sol te oder ob b) Sandra sie auf eine sehr sanfte,
    hintergründige Weise aufzog. Sie argwöhnte Letzteres, da Sandra oft
    mehr verdiente als sie. Es wurde allmählich peinlich.
    »Es ist eine Art Marmeladenkrapfen«, sagte sie. »Jetzt sol test du
    besser gehen und…«
    Jemand klopfte an die Tür hinter Rosie. Sie winkte Sandra durch den
    Perlenschnurvorhang, fasste sich und öffnete.
    Ein recht kleiner Alter stand im Flur.
    Al es an ihm hing hoffnungslos nach unten. Sein grauer Schnurrbart
    hätte von einem Walross gestohlen sein können oder von einem
    Schnauzer, der gerade eine sehr schlechte Nachricht bekommen hatte.
    Seine Schultern hingen kraftlos und apathisch herab. Selbst Teile seines
    Gesichts schienen den Kampf gegen die Schwerkraft verloren zu haben.
    Er hielt eine Mütze in den Händen und drehte sie nervös hin und her.
    »Ja?«, fragte Rosie.
    »Äh, es steht ›Näherin‹ auf dem Schild«, sagte der Alte kleinlaut. »Und,
    nun, seit dem Tod meiner Frau, weißt du, ich bin mit diesen Dingen nie
    gut zurechtgekommen…«
    Sein Blick kündete von purer, hilfloser Verlegenheit.
    Rosie bemerkte den Sack zu seinen Füßen und hob ihn hoch. Er
    enthielt sehr saubere, aber auch sehr abgenutzte Socken. Jede einzelne
    von ihnen hatte Löcher an der Spitze und an der Ferse. »Sandra«, sagte
    Rosie, »ich glaube, es ist für dich…«

    Es war so früh am Morgen, dass »spät in der Nacht« noch nicht ganz
    vorbei war. Grauer Dunst hing überal in den Straßen und

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